PSYCHOTHERAPIE, Bd. 1 (2000), Report, 02. Oktober 2000
 
Lachängste, Mediclowns und jede Menge Lachnummern - Psychotherapie zwischen Clownerie und Wissenschaft (gekürzt)
 
Dresden/Basel/Stuttgart (02.10.2000) - »Unglaublich!«, »Wirklich völlig daneben!« - Eine Hand voll Jugendlicher lungert kichernd im Schulhof herum und amüsiert sich prächtig. Lisa steht wie immer etwas abseits. Sie hört nicht, über wen die Gruppe sich gerade lustig macht - wenn überhaupt. Sie merkt nur, wie ihr Blut in den Ohren zu pochen beginnt und ihre Hände in den Taschen langsam feucht werden. »Die lachen über mich«, denkt sie. Und ohne den Blick zu heben, eilt sie an der Gruppe vorbei und flüchtet sich ins Schulhaus.
 
 

Wie Lisa geht es vielen Menschen in Deutschland. Jeder Zehnte zeigt laut einer Studie der Universität Düsseldorf eine ausgeprägte Angst, ausgelacht zu werden, sagte der Emotionsforscher Willibald Ruch auf dem fünften Internationalen Kongress »Humor in der Therapie« in Basel, der an diesem Wochenende zu Ende ging. Für Menschen, die an »Gelotophobie« leiden, werde zur Qual, was anderen Spaß und gute Laune bereite. Trotz der hochgestochenen Bezeichnung handelt es sich bei der so genannten Lachangst um eine »schlichte« soziale Phobie - behandelbar in wenigen Stunden mit kognitiver Verhaltenstherapie und ein paar lustigen praktischen Übungen.

«Lachängstliche sind der tiefen Überzeugung, dass sie komisch wirken, anders, und irgendwie lächerlich«, erklärt der Psychotherapeut Michael Titze. Aus der ständigen Angst heraus, sich zu blamieren, stolperten sie schließlich über Stühle, verschütteten Getränke und erröteten bei jeder Kleinigkeit.

Wie andere Sozialängste entwickelt sich auch die Angst vor dem Ausgelachtwerden am häufigsten in der Pubertät. »Kinder müssen in diesem Lebensabschnitt den sicheren Schoß der Familie verlassen«, sagt der Psychologe. Einzelne fänden daraufhin keinen Anschluss mehr. »Das sind Menschen, die aus irgend einem Grund die Spielregeln von Gruppen nicht kennen«, sagt Titze. Oft sind es verschlossene Menschen oder Kinder, die von ihren Eltern völlig vereinnahmt wurden. Manche von ihnen leiden jahrelang an Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Bauchkrämpfen, bis das tatsächliche Problem zum Vorschein kommt.

Hat der Psychologe die Lachangst erkannt, kann er sie mit »Therapeutischem Humor« gut behandeln. »In der Gruppe lernen die Menschen wieder, miteinander zu lachen«, erläutert Titze. Ein Clown übernimmt die Rolle des Ko-Therapeuten und über seine Missgeschicke darf herzlich gelacht werden. Bestenfalls können sich die lachängstlichen Menschen irgendwann wieder über sich selbst amüsieren. »Immunisierung« nennt die Psychologie diese Therapie und hat gute Erfolge damit. Manch ein ehemaliger Patient soll mittlerweile sogar als Clown auftreten, loben die Lachtherapeuten ihre Lachtherapie über den grünen Klee.

Vielleicht bei den Dresdner »Mediclowns«, die sich für kranke Kinder engagieren. Einmal in der Woche besuchen Mitglieder der Agentur »Mediclowns« seit 1996 kleine Patienten im Uni-Klinikum Dresden und im Krankenhaus Neustadt. Für ein Weilchen wollen die Clowns dabei mit Späßen und Spielen die kranken Kinder vom Alltag in der Klinik ablenken. »Die Resonanz ist sehr gut. Wenn die Kinder über uns lachen können, haben wir unser Anliegen erfüllt«, sagt Clowns-Chefin Evelyn Adam-Ledig.

In der Agentur sind derzeit 18 Frauen und Männer ehrenamtlich beschäftigt. Im normalen Leben arbeiten sie als Krankenschwester, Tänzer, Maschinenbauerin oder Lehrerin. Manchmal können sie ihr Publikum nur durch eine Glasscheibe sehen - beispielsweise auf der Station für krebskranke Kinder. »Wir improvisieren in der Regel und versuchen die Kinder mit einzubeziehen«, sagte Adam-Ledig. Das Thema Krankheit sei dabei tabu. Nur wenn die kleinen Patienten es selbst vortragen, gehen die Clowns auch darauf ein.

Mediclowns erheitern nicht nur kranke Kinder. Wegen der bösartigen Attacken des nordwürttembergischen Kassenarzt-Chefs Werner Baumgärtner gegen Kollegen, die sich mit seinen rechtswidrigen Medi-Kartellplänen kritisch auseinander setzten, hatte der Stuttgarter Psychotherapeut Dietmar G. Luchmann am 18.06.1999 im MEDI-Report öffentlich zur Lachtherapie mit der Frage eingeladen: »Als Löwe gestartet, um als Bettvorleger zu enden, Herr Dr. Baumgärtner?« Die »Ärzte-Zeitung«, Deutschlands einzige Tageszeitung für Ärzte, griff ein halbes Jahr später - am 20.12.1999 - die mediale Lachtherapie mit gesundem Humor auf. »Natürlich scharrt der Volkstribun Baumgärtner aus Nordwürttemberg mit den Hufen. Im letzten Sommer hat er schon einmal Anlauf ... genommen und ist noch vor dem Sprung als Bettvorleger gelandet«, schrieb die 'Ärzte-Zeitung'. Da hatten endlich auch die traurigen Ärzte mal wieder was zu lachen.