TKK-News, 29. Juli 2008
Ist Lachen gesund?
Informationen der TKK Techniker Krankenkasse, Landesvertretung Niedersachsen
1. Herr Dr. Titze, stimmt es tatsächlich, das Lachen gesund ist oder gesund macht?
Die Lachforschung, die Gelotologie, hat Belege gefunden, warum Lachen tatsächlich gesund ist und dass Menschen, die viel lachen, weniger krankheitsanfällig sind und schneller wieder gesund werden.
Lachen ist ein echter Gesundbrunnen: Es setzt Selbstheilungskräfte frei, die wir im normalen Alltagsleben viel zu wenig nutzen. Auch werden die inneren Organe massiert. Und im Blutkreislauf werden Stresshormone abgebaut und dafür solche Inhaltsstoffe ausgeschüttet, welche die Immunabwehr steigern. Außerdem werden die Verdauungsdrüsen angeregt.

2. Was geschieht im Körper, wenn wir lachen?
Heftiges Lachen ist richtig körperliche Arbeit: fast sämtliche Muskeln im Körper werden beansprucht. Bei herzhaftem Lachen steigt der Puls auf 120 Schläge pro Minute. Die Atmung wird stark angeregt, so dass es zu einem beschleunigten Austausch von verbrauchter und sauerstoffangereicherter Luft kommt. Auch die Brustmuskeln sowie das Zwerchfell, ebenfalls ein großer Muskel, werden aktiviert. Das schafft die Voraussetzung für einen erhöhten Gasaustausch in der Lunge und steigert die Atemkapazität deutlich. Auf die Eingeweide übt die Anspannung des Zwerchfells eine Art Massage aus, was sich wiederum günstig auf die Darmaktivität auswirkt. Dabei werden die inneren Organe durchgeknetet. Da das Lachen auch die unwillkürliche glatte Muskulatur anregt, weiten sich die Bronchien, so dass die Durchlüftung der Lungen verbessert wird. Durch den intensivierten Gasaustausch in der Lunge reichert sich das Blut mit Sauerstoff an. Dies ist für die Verbrennungsvorgänge im Körper von Bedeutung: Fettstoffwechsel und die Ausscheidung von Cholesterin werden dadurch günstig beeinflusst. Beim Lachen dehnen sich die Lungenflügel aus und nehmen 3 bis 4 mal mehr Sauerstoff auf wie gewöhnlich. Insgesamt kommt es beim Lachen zu einer besseren Durchblutung der Muskulatur. Das entspannt die Arterien und senkt den Blutdruck, weil auch der Herzschlag zwar zunächst beschleunigt wird, sich dann aber deutlich verlangsamt. Die Bauchmuskeln spannen sich an, um die Luft mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h hinaus zu pressen.
Ein ausgiebiges, intensives Lachen hat eine paradoxe Wirkung: Kurzfristig erhöht sich die Herzfrequenz, der Blutdruck steigt entsprechend an, so dass zunächst Stress erzeugt wird. Doch nach wenigen Minuten stellt sich während des Lachens eine anhaltende Entspannungsphase ein: Der Herzschlag verlangsamt sich und verbleibt dauerhaft auf einem niedrigen Niveau. Dabei entspannt sich die Muskulatur der Arterien, so dass sich das Gefäßvolumen erhöht: Der Blutdruck wird dadurch längerfristig reduziert und Stress werden konsequent abgebaut. So hat der US-amerikanische Neurologe William F. Fry in kontrollierten Untersuchungen festgestellt, dass ausgiebiges Lachen zu einem Abbau von Stresshormonen wie Corticoiden und Catecholaminen führt. Paul McGhee, ein Pionier der Lachforschung, hat herausgefunden, dass Menschen mit einer optimistischen und heiteren Grundeinstellung Stressphasen besser bewältigen können als Pessimisten.
Lachen bringt komplizierte neurologische Strukturen in Gang. Im Jahre 1953 entdeckte James Olds das Lustzentrum im Gehirn. Es ist im so genannten limbischen System lokalisiert. Von diesem System gehen auch andere Gefühle wie Wut und Aggression aus. Die Übertragung solcher Gefühlsreaktionen erfolgt durch die Vermittlung von Neurotransmittern im neurovegetativen System. Deren Aktivität wird durch bestimmte Hormone bzw. Neuromodulatoren erweitert oder vermindert. Dazu gehören die Endorphine, oft auch als »Glückshormone« bezeichnet, und die Encephaline. Es gibt auch Hinweise, dass die Produktion von Endorphinen bei intensivem Lachen gefördert wird. Allerdings ist das experimentell noch nicht zweifelsfrei erhärtet.
US-Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Lachen die gleichen Hirnregionen anregt. Die Gehirnregionen, die einen Witz verarbeiten, sind schon lange bekannt, die Euphorie, die sich Danach einstellt, wird im Belohnungszentrum des Gehirns ausgelöst, dem nucleus accumbens.
Der amerikanische Schlafforscher James K. Walsh hatte schon im Jahre 1928 angenommen, dass die Widerstandskraft des Organismus gegen Krankheit erhöht ist, wenn ein Mensch häufig und regelmäßig lacht. Dies lässt sich durch die Befunde der modernen Lachforschung ausdrücklich bestätigen. So beobachteten Lee Berk und seine Mitarbeiter, dass die Zirkulation gewisser Immunsubstanzen nach einem Lachanfall für Stunden erhöht ist. Die Zahl der T-Lymphozyten und T-Helferzellen, die bei der Abwehr von Krebs und kardiovasculären Krankheiten von Bedeutung sind, steigt an, die Aktivität und Anzahl der natürlichen Killer-Zellen ist erhöht und die Antikörper der Immunglobulin-A-Klasse, die den Keimbefall im Bereich der Atmungsorgane hemmen, vermehren sich. Auch das viel zitierte Gamma-Interferon ist im Blut von Menschen, die zuvor ausgiebig gelacht haben, vermehrt nachweisbar. Das heißt, Lachen stärkt auch die Immunabwehr.

3. Sind humorvolle Menschen erfolgreicher?
Unbedingt! Wer lacht, gewinnt. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Lachen die (psychosomatischen) Lebensgeister weckt. Zum anderen ist Lachen aber auch ein »soziales Schmiermittel«. Es stellt die kommunikative Verbindung zwischen Menschen her, schafft jene zwischenmenschliche Brücke, über die wir als selbstbewusste und fröhliche Partner zueinander finden. Denn was einen Menschen wirklich anziehend (attraktiv) macht, ist die Mimik des lachenden oder auch lächelnden Gesichts.
Wenn Menschen dazu gebracht werden, regelmäßig unbeschwert miteinander zu lachen, erleben sie die vielen Beziehungsfallen, die sich gerade am Arbeitsplatz auftun, als eine kommunikative Herausforderung, die mit Humor freundschaftlich relativiert werden kann. (Die eigentliche Funktion des Humors ist nämlich Relativierung - ganz im Sinne des Mottos »Die Lage ist katastrophal, aber nicht ernst!«) Wer relativieren kann, wird sich von seinen Kontrahenten nicht verletzen oder kränken lassen, sondern wird denjenigen, die eine sarkastische Attacke reiten, nicht nur beipflichten, sondern wird - im Sinne humorvoller Schlagfertigkeit - »noch eins draufsetzen« (vgl. Titze/Patsch: »Die Humorstrategie«).

4. Gibt es Unterschiede im Lachverhalten zwischen Kindern und Erwachsenen?
Es gibt verschiedene Formen des Lachens, die eine kommunikative Funktion erfüllen: zum Beispiel das verlegene, gekünstelte, höfliche oder aufmunternde Lachen. Im Unterschied zum echten Lachen sind dies kommunikative Ausdrucksformen, die wir uns im Verlauf der Sozialisation angeeignet haben. Es sind dies folglich Produkte unseres Erwachsenenlebens.
Echtes Lachen ist hingegen Ausdruck des unverletzten »Kindes in uns«: einer ursprünglichen Lebenskraft, die im Laufe der Sozialisation allerdings verschüttet werden kann, so dass der betreffende Mensch im Ernst des Lebens erstarrt, seine vitale Schwungkraft verliert. Im echten Lachen verliert der Verstand die Kontrolle über den Körper. So ist dieses Lachen ein Sieg über den Verstand des Erwachsenen. Dabei regrediert der betreffende Mensch unweigerlich auf eine funktionale Stufe, die für ein unbeschwertes Kleinkind bestimmend ist. Im echten Lachen verselbstständigt sich also der Körper bzw. die dort vorherrschende (unbewusste) »Affektlogik«. (Man geht in der Forschung davon aus, dass beim Lachen das so genannte Bauchhirn durch die Kontraktion des Zwerchfells stimuliert wird. Daraus ergibt sich eine Aktivierung auf einer ganz elementar intuitiven Ebene, auf der man nicht in rationalen Kategorien und Begriffen denkt.)
Dabei wird die lebenslang eingeübte Selbstkontrolle dermaßen außer Kraft gesetzt, dass manche Körperfunktionen regelrecht entgleisen: So können Tränen fließen, und man macht sich gelegentlich sogar in die Hose! Es kommt zu krampfartigen Muskelzuckungen, die besonders im Bauchbereich schmerzhaft sein können. Der geregelte Atemfluss wird unterbrochen, so dass viel mehr Luft eingeatmet wird als im Normalzustand. Und die Stimmbänder werden intensiv zum Schwingen gebracht, so dass sich das typische Wiehern und Brüllen ergibt, das man als »schallendes Gelächter« zu bezeichnen pflegt. Das dauert aber in aller Regel nicht lange: Über kurz oder lang ist dieses archaische physiologische Gewitter verflogen, und der Verstand des Erwachsenen darf den Körper wieder beherrschen.

5. Kann man wieder lernen, mehr zu lachen?
Genau das ist das Anliegen der weltweiten Lachbewegung, die vor 13 Jahren vom indischen Arzt Madan Kataria begründet wurde: In einem geschützten Rahmen, der »Lachgruppe«, sollen schüchterne, vereinsamte oder einfach überernste Menschen das »echte« Lachen (wieder) erlernen. Voraussetzung dafür ist die Regression auf die Entwicklungsstufe von unbeschwerten, spielfreudigen Kindern, die sich (noch) keine Gedanken darüber machen, wie sie auf ihre Mitmenschen wirken - die also frei von »Gelotophobie« sind!
Daher sind die Übungen, deren man sich - auch schon vor Kataria (vgl. http://www.michael-titze.de/content/texte_e/text_e_15.html) - bedient(e) in vielem identisch mit Partyspielen bei Geburtstagen von kleinen Kindern. Das schmälert die Wirksamkeit dieser Methodik keineswegs! Denn Ziel des sog. Yogalachens ist die »Erleuchtung« auf einer existenziellen Stufe, die frei vom reflektierenden Denken des rationalen Erwachsenen ist.

6. Welche Bedeutung haben Lachclubs für Sie?
Ursprünglich wollte Kataria mit der von ihm als »Lachyoga« bezeichneten Methode eigentlich nur einen Beitrag zur Verbesserung der Volksgesundheit leisten. Möglichst viele Patienten in ganz Indien sollten sich kostenlos in entsprechenden »Lachclubs« gesund lachen. Ob dieses Ziel in medizinischer Hinsicht erreicht wurde, ist ungeklärt. Doch in psychosozialer Hinsicht hat sich das Lachyoga als ungemein erfolgreich erwiesen. Gerade Menschen, die im Zuge der postmodernen Individualisierung »desozialisiert« wurden, finden in einem Lachclub auf eine unkomplizierte Weise menschliche Nähe, spontane Lebensfreude und nicht zuletzt eine spielfreudige Selbstbestätigung.
Innerhalb weniger Jahre wurden auf allen Kontinenten Tausende Lachclubs gegründet. Man schätzt, dass mindestens 300 000 Menschen darin eingebunden sind. Die ersten Aktivisten aus Deutschland wurden 1998 am Basler Kongress »Humor in der Therapie« von einem Kataria-Schüler in die Methode des Lachyogas eingeführt. Unmittelbar danach entstand in Wiesbaden ein Lachyoga-Zentrum, in dem sich Lachbegeisterte (unter anderem von Kataria selbst) zu zertifizierten Lachtrainern ausbilden ließen. Inzwischen gibt es allein in Deutschland mehrere Lachyoga-Verbände, die eine durchaus ernsthafte Vereinspolitik betreiben.
Vor 8 Jahren deklarierte die Unesco auf Initiative Katarias den ersten Sonntag im Mai zum Weltlachtag. Seither haben Hunderttausende von Menschen auf der ganzen Welt an diesem Tag das heilsame Lachen gefeiert.

7. In Ihrer psychologischen Arbeit setzen Sie Humor als Therapeutikum ein - welche Erfolge haben Sie bzw. der Patient?
In meiner Arbeit als Psychotherapeut habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele meiner Patienten dazu neigen, die Wirklichkeit zu ernst zu nehmen. Misserfolge im Leben, wie etwa soziale Zurücksetzungen, Niederlagen im Arbeitsleben, familiäre Enttäuschungen oder das Nichterreichen hochgesteckter Ziele werden als so gravierend erlebt, dass es zu chronischer Niedergeschlagenheit, Gekränktsein, Mutlosigkeit, Scham oder Angst kommt. Aus dieser Stimmungslage heraus erscheint das eigene Leben nur noch als Jammertal. Depressive Selbstzweifel und Existenzängste überwuchern das Dasein. Selbstbejahende Tendenzen verkümmern. In dieser unheilvollen emotionalen Verstrickung schafft Humor die nötige Distanz. Indem der Patient lernt, seine schwarzen Gedanken spielerisch auf die Schippe zu nehmen, ironisiert er sein eigenes negatives Denken.
Bei vielen meiner Patienten habe ich festgestellt, dass sie unter den negativen Aspekten des Lachens gelitten haben. Das heißt, sie wurden in ihrer Kindheit, insbesondere aber in der Pubertät, Opfer von nicht selten grausamen Verspottungen - also Hänseln, Verlachen - sowohl von Seiten Gleichaltriger als auch Erwachsener, zum Beispiel Lehrer. So entwickelten sie eine Lachangst, Gelotophobie, die fast immer vor der Umwelt schamhaft verborgen wird und Quelle vieler psychischer Probleme sein kann. Sie kann in soziale Angst münden. Die Patienten sollen mit Hilfe von paradoxen und provokativen Methoden lernen, ihren Ängsten ins Gesicht zu lachen. Zum Beispiel spiele ich mit Menschen, die übersteigerte Ängste vor Scham haben, Situationen durch, die sie als blamabel empfunden haben. Etwa das erste gemeinsame Essen mit den neuen Kollegen in der Kantine: Der Patient soll die Momente, die er als beschämend empfand, nachspielen - und zwar parodistisch überspitzt. Genau diese Grenzüberschreitung, die lockere Nichtbeachtung normativer Schranken, macht eine Humorreaktion überhaupt möglich. Das Leben verlangt den Mut zur eigenen Lächerlichkeit.
Eine Leitfigur für den therapeutischen Humor ist das unverletzte Kind, das sich keine Gedanken macht, wie es bei anderen ankommt, sondern fröhlich drauflos lebt. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für eine heitere Grundstimmung. Wenn man lacht, obwohl es eigentlich die angespannte Situation nicht erlaubt, dann überschreitet man Grenzen und entdeckt die Lust am Komischen. Das hilft vor allem Patienten, die die Dinge zu pingelig sehen und die daraus dann Zwangsvorstellungen oder Versagensängste entwickeln. Diese Menschen sind sehr gestresst, weil sie ständig an Gefahren denken, die möglicherweise auf sie zukommen könnten.

Therapeutischer Humor will nicht um jeden Preis zum Lachen bringen. Es soll vielmehr ein Prozess angeregt werden, der zu einer selbstbejahenden, mutigen Einstellung führt, die mit Heiterkeit und Lebensfreude einhergeht.