Vital 03/2018, S. 12
 
Heilsamer Humor
 
Ganz im Ernst: Wir haben es oft selbst in der Hand, ob wir heiter durchs Leben gehen. Dr. Michael Titze verrät, wie wir unsere innere Clownin entdecken.
 
 
vital: Wie gesund ist Heiterkeit?

Dr. Michael Titze: Humor und Lachen können ein wirkungsvolles Therapeutikum sein. Im Krankenhaus werden schon seit vielen Jahren Klinikclowns eingesetzt. Sie lenken Patienten nicht nur ab, sondern helfen dabei, eine andere, optimistischere Sicht auf die Situation zu finden. Ähnliches macht auch die Humortherapie: die Absurditäten des Alltags und des eigenen Verhaltens entdecken, die eigenen Stärken aufzeigen und dem Menschen bewusst machen, dass er viele Fähigkeiten besitzt, um sein Leben zu meistern.

Gibt es Menschen ohne Humor – oder nur solche, denen er im Laufe der Zeit abhandengekommen ist?

Tatsächlich hat jeder Humor, Menschen sind aber nun mal von Natur aus verschieden. Die einen forsch, die anderen zurückhaltend, einige beobachten, andere handeln. Deswegen unterscheiden wir vier Humortypen, egal ob Frau oder Mann: den tonangebenden Boss, den charmanten Star mit dem gewinnenden Lächeln, den fleißigen Eremiten, der meist mit großem Wissen glänzt, und den Lazarus, der durch seine Befindlichkeit auf sich aufmerksam macht. Ein jeder hat seine eigenen Besonderheiten, die er ausspielen kann, um die Lacher auf seiner Seite zu haben.

Lässt sich Witzigkeit also erlernen?

Ja, mit einem spezifischen Humortraining das der eigenen Persönlichkeit entspricht. Für die Zurückhaltenden wie den Lazarus oder den Eremiten bedeutet das zu akzeptieren, dass der Versuch, schlagfertig zu sein, meist schiefgeht. Wer sich mit seinen Spleens annimmt, diese offen nach außen trägt und übertreibt, hat gewonnen. Der Psychiater Viktor Frankl sagte: »Ein Mensch kann sich nur dann zum Positiven verändern, wenn er den Mut zur Lächerlichkeit hat.« Nebenbei: Humor schafft die nötige Distanz, wenn wir uns emotional verstricken.

Kaputtgelacht – im wörtlichen Sinne – hat sich noch niemand, oder?

Im Gegenteil. Lachen setzt Selbstheilungskräfte frei, die wir im normalen Alltagsleben viel zu wenig nutzen. Wenn wir lachen, übernimmt die Weisheit des Körpers das Ruder. Jede Kontrolle wird ausgeknipst. Wir atmen richtig, schalten die Selbstkritik aus. Menschen, die viel lachen, kurbeln damit ihr Immunsystem an, die Organe werden massiert, verschiedene Hirnregionen aktiviert. Lachen – oder auch schon zartes Lächeln – ist ein soziales Schmiermittel, es baut Aggression ab und schafft eine zwischen menschliche Brücke.

Und wenn mir gar nicht nach Lachen zumute ist?

... konzentrieren Sie sich auf die motorische Komponente. »Fake it! Make it!« (»Tu so als ob – und es stellt sich ein«). Selbst wenn wir das Lachgeräusch nur imitieren, springt irgendwann der Motor an, und unser Lachen wird echt. Am besten nehmen Sie sich kleine Aufgaben vor: Vor dem Spiegel lächeln. Oder einen kurzen Bleistift in die Mundwinkel stecken – so werden diese gestreckt. Allein diese Veränderung löst schon eine Kettenreaktion im Gehirn aus – und stimmt uns heiter. Natürlich sehen wir damit ziemlich lächerlich aus. Stellen Sie sich vor, Sie machen das im Auto, während Sie
an der Ampel warten …