BERNER ZEITUNG, 05.08.98
Lachen ist wie ein inneres Jogging
Haben sie heute schon einmal herzhaft gelacht? Nein? Schade, sie hätten sich damit etwas Gutes getan. Denn Lachen ist offenbar mehr als nur Ausdruck positiver Gefühle. Schallendes Lachen soll sich in mehrerer Hinsicht gesundheitsfördernd auf den Körper auswirken. Wer erkältet ist, sollte sich Comics, witzige Videos oder Bücher besorgen, um schneller wieder auf die Beine zu kommen. Die Zürcherin Iren Bischofberger ist Kursleiterin beim Schweizer Berufsverband der Krankenschwestern und Krankenpfleger und warnt in einer vor vier Jahren erschienenen Publikation: »Achtung, Humor kann Ihrer Krankheit schaden.«

Von Susanne Graf

Lachen vermindert Stress

»Strengen wissenschaftlichen Kriterien würden die entsprechenden Studien vielleicht noch nicht genügen«, räumt die Kursleiterin im Gespräch mit der BZ ein. Doch die Gelotologie, eine neue Forschungsrichtung, die ihren Namen vom griechischen Wort »gelos«, Lachen, ableitet, hat Interessantes herausgefunden:

  • Ein herzhaftes Lachen führt zu einer tieferen Atmung und wirkt dadurch wie eine Sauerstoff-Dusche.
  • Lachen regt auch den Kreislauf an. Deshalb kann Lachen laut Iren Bischofberger als »inneres Jogging« bezeichnet werden.
  • Beim Lachen werden zudem bestimmte Hormone ausgeschüttet, die das Schmerzempfinden dämpfen können.
  • Weiter soll Lachen das Immunsystern anregen und entzündungshemmend wirken.
  • Und zu guter Letzt: Lachen vermindert Stress und erhöht die Konzentration.

»Gezielt eingesetzter Humor wäre demnach durchaus auch im pädagogischen Bereich hilfreich«, gibt Iren Bischolberger zu bedenken. »Aber wenn in einer Schulklasse gelacht wird, heisst es gleich, da wird nicht gearbeitet und nicht genügend gelernt«, wendet die Dozentin gleich ein und meint, dies sei sicher ein Hinderungsgrund, das Lachen in der Schule bewusst einzusetzen.

Erfolgreiche Humor-Kurse

Mit derartigen Vorurteilen hatte auch sie - früher mehr als heute - zu kämpfen, als sie nach amerikanischem Vorbild den Humor in die Gesundheits- und Krankenpflege einführte. 1994 führte sie einen ersten Kurs durch und war »erstaunt, wie schnell das Thema auf sehr fruchtbaren Boden gefallen ist«. Die alljährlich wiederholten Kurse werden von im Pflegebereich tätigen Interessentinnen und Interessenten aus der ganzen Schweiz besucht. »Diese kehren jeweils energiegeladen an ihren Arbeitsplatz zurück. »Doch dort dürfen sie nicht einfach witzereissend über ihre Patienten und Patientinnen herfallen. Denn Humor, so Iren Bischofberger, könne ebenso hilfreich wie schädlich sein. Sorgfältig gelte es herauszufinden. worüber der einzelne Patient lachen kann (bringt ihn eher ein Emil oder eher ein Otto zum Lachen?) und ob er überhaupt bereit sei, sich auf etwas Humor im Spitalbett einzulassen. Die Pflegenden werden angewiesen, ihre Patienten zu fragen, ob sie Lust auf einen Witz hätten. »Denn diese sollen auch trauern können«, erklärt Bischofberger, deren Ziel es ist, Humor im Spital als gleichwertiges Konzept zu akzeptieren wie die Sterbebegleitung.

Gewinnt an Akzeptanz

»Eine konsequent humorvolle Einstellung ermöglicht dem Pflegepersonal auf ernste Themen in einer entspannten, nicht bedrohlichen Weise einzugehen«, schreibt auch der Humortherapeut Michael Titze in seinem Buch »Therapeutischer Humor«. Lachen sei als »soziales Schmiermittel« zu verstehen, das es ermögliche, eine positive, von Heiterkeit geprägte Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Natürlich gebe es immer noch Personen, die sagen, »auf unserer Abteilung sterben Leute, da gibt es nichts zu lachen«, aber »sie verlieren zusehends an Boden« stellt Iren Bischofberger fest.

Clowns besuchen Kranke

Während sich der Humor in der Schweiz bei der Pflege erwachsener Kranker langsam durchzusetzen beginnt, ist er in Kinderkliniken schon länger etabliert. Fast jede Schweizer Kindklinik arbeitet heute mit den Clowndoktors der in Renens ansässigen Theodora-Stiftung zusammen. Ziel der Stiftung ist es, »die Leiden der kleinen Patienten durch das Lachen zu lindern«. In Bern zum Beispiel besucht seit 1991 ein Clown jeweils dienstags die verschiedenen Abteilungen der Kinderklinik im Inselspital. Finanziert werden die Besuche durch Spendengelder.

Humor in Psychotherapie

Humor wird aber auch in der Psychotherapie bewusst zu Rate gezolgen. »Die positiven Wirkungen der dosiert, aber gezielt eingesetzten <Humorspritzen> werden nun ebenfalls bei uns allmählich erkannt«, schreibt Max Deon. Vize-Präsident der Internationalen Vereinigung für Individualpsychologie im »Humor Magazin«. Lachen bewirke Angstabbau und verbessere so die Lernsituationen und Heilungschancen. Am Arbeitsplatz wie in der Familie komme es dank Humor zu einer direkten Kommunikation - und »der Alltags-Ernst wird erträglicher«, schreibt Deon.

3. Humor-Kongress

Am 10./11. Oktober 1998 findet im Kongresshaus der Messe Basel der 3. Internationale Kongress zum Thema »Humor in der Therapie« statt. »Da Lachen und Humor viel zu wertvoll sind, um eine professionelle Anwendung auf den klinischen Bereich zu beschränken, hat dieser Kongress »Humor als soziale Kompetenz in Pädagogik, Management und Therapie« zum Thema, heisst es im Programm. Referentinnen und Referenten aus den USA, Deutschland, Österreich und der Schweiz werden auftreten. Initiiert wurden die Kongresse 1996 vom Basler Renè Schweizer, der sich selber als Gelotosoph, als an der Philosophie des Lachens Interessierten, bezeichnet. Er präsidiert den Verein »humor.ch«, welcher Aktuelles aus der Lachforschung zusammenfasst. lm Internet will der Verein (www.humor.ch) 1999 eine Zentralstelle für Information über die Lachforschung und den »Therapeutischen Humor« einrichten.