DEUTSCHLANDFUNK - Studiozeit aus Kultur- und Sozialwissenschaften, 19. Februar 2004
Bewusstseinserheiterung

Philosophie und Praxis des Lachens (leicht gekürzt)

Von Dörte Hinrichs

Lachen ist gesund, heißt es im Volksmund, und heute zeigte sich auf den Gesichtern der Närrinnen ein besonders breites Grinsen, als sie den Männern die Krawatten abschnitten, denn das gehört ja traditionell zur Weiberfastnacht. Die einen strahlen, den anderen vergeht dabei manchmal das Lachen. Und wie sieht es jenseits der närrischen Jahreszeit aus? Haben wir im Alltag genug zu Lachen? Schließlich soll Lachen nicht nur gesund sein, einige Philosophen und Literaten verbinden damit sogar eine erkenntnisfördernde Bewusstseinserheiterung und die sogenannten Gelotologen wollen all den Facetten des Lachens auf die Spur kommen. Das Lachen als Forschungsgegenstand, keinesfalls ein Scherz. Dörte Hinrichs über die Philosophie und Praxis des Lachens:

(O-Ton): »Man wird hier angesteckt. Ich glaube, es ist ansteckend. Das ist hier ein ganz wichtiger Effekt, der es dann eben wieder rauskitzelt und ich denke, es gibt eine Menge Situationen im Alltag, die dann einfach komisch sind, lustig sind, wo ich dann zum Teil so Lachen kann, wie jetzt hier.«

(O-Ton): »Am schönsten ist es, wenn es von Herzen kommt. Das ist das richtige Lachen, aber es ist wirklich wichtig, dass das ein bisschen entwickelt wird.«

(O-Ton): »Bei mir hat sich schon die ganze Philosophie, die ganze Weltanschauung dadurch geändert, muss ich schon sagen. Das ganze Denken ist dadurch konstruktiver und positiver geworden. Das ganze Weltbild hat sich aufgeheitert.«

(O-Ton): »Es ist mir mittlerweile sehr wichtig. Wenn ich Auto fahre und da sitzt jemand neben dran und ich sehe, oh, die gucken ganz ernst, denke ich, euch würd' so ein Lachclub auch mal ganz gut tun und dann fang ich auch an zu lachen, doch sie gucken dann ganz irritiert, aber lachen mit.«

Glucksend und giggelnd, gackernd und gurrend, brüllend und Bauch haltend. So bewegen sich 15 Frauen und Männer, jung und alt, durch den Raum der Wiesbadener Montessori-Schule. Dabei war am Anfang das große Gähnen. Dann kam das Recken und Strecken und dann krabbelt langsam das Lachen in ihnen hoch, wenn sie den Schalk aus ihrem Nacken hervorzaubern. Sie lachen völlig grundlos, dafür aber regelmäßig. Jeden Mittwoch um 18:18 Uhr treffen sich die Mitglieder des Wiesbadener Lachclubs im Butterblumenweg. Hier in Wiesbaden steht die Wiege der europäischen Lachclubbewegung. Eine Bewegung, die von Indien über Australien und die USA schließlich 1998 in Deutschland angekommen ist.

(O-Ton): »Für mich ist die Zeit reif gewesen zu Lachen, damals und mehr denn je heute. Die ist wirklich reif zum Lachen, für die Lebensfreude. Es ist ganz klar, dass wir etwas in unserem Leben brauchen, was uns eine Orientierung gibt. Das heißt, wir sind reif dafür, nicht länger nur mit Spaß und Fun und Ablenkung abgefüttert zu werden, sondern wieder etwas zu entwickeln, was ich ein Wertebewusstsein nenne, eine Orientierung, ein etwas mehr Mitmenschlichkeit, etwas Soziales, es gibt so viele Menschen die alleine sind und im Lachen steckt das alles drin, das zu verbinden.«

Gudula Steiner-Junker lächelt herzlich, wenn sie dies sagt. Sie leitet das Yoga-Lachzentrum Deutschland und den Wiesbadener Lachclub, ist Schauspielerin, Künstlerin und Mitbegründerin der Clowndoktoren in Wiesbaden. Sie kultiviert das Lachen aus Überzeugung.

(O-Ton): »Wenn wir lachen, schließt das in keiner Weise aus, dass wir Weinen und dass wir auch Trauer und das Leid kennen. Beides ist ganz wesentlicher Bestandteil im Leben. Warum ich einen Lach- und keinen Heulclub leite ist mir klar, weil ich finde, dass dieser Pol der Freude, ein bisschen unterrepräsentiert ist in dieser westlichen Welt und den möchte ich als Künstlerin oder Kulturschaffende mehr füttern, dem mehr Kraft geben.«

Lied: »Es ist ein Lachen auf der Welt, was für ein Lachen. Und was uns so in Atem hält, ist dieses Lachen, das uns fehlt ...«

Untersuchungen haben ergeben, dass die Deutschen von Jahr zu Jahr weniger lachen. Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg, als die Menschen nicht viel zum Lachen hatten, lachten sie durchschnittlich 18 Minuten am Tag, dreimal so häufig wie heute.

Der Psychologe Dr. Michael Titze: »Das kann man eigentlich schwer verstehen. Es könnte damit zusammenhängen, dass damals die Erwartungen, die der einzelne an sich und seine Lebensziele gestellt hat, sehr viel niedriger gewesen sind, so dass sich auch sehr viel schneller Erfolgserlebnisse einstellen konnten. Wir leben ja jetzt in dieser vielzitierten Postmoderne, in einer Zeit, wo das Anspruchsniveau, das Erfolgsdenken, der Erfolgsdruck immer mehr nach oben gehen. Man sieht im Fernsehen, in den Printmedien, immer nur die ganz Erfolgreichen, die besonders Schönen, die auch sportlich besonders leistungsfähigen Menschen. Und wenn man sich mit denen vergleicht, kommt natürlich eher die Erkenntnis auf, ich gehöre nicht zu denen, die etwas zu lachen haben, ich bin eigentlich ein Verlierer oder wie man neudeutsch sagt, ein Loser und solche Menschen haben dann natürlich wenig zu lachen.«

Das Lachen wieder zu lernen und damit eine positivere Lebenseinstellung, scheint in unserer Gesellschaft zu einer echten Herausforderung geworden zu sein. Sie besteht weniger in der Ablenkung nach außen, als vielmehr in der Besinnung nach innen.

Dr. Michael Titze: »Es geht auch in die Richtung, dass man mehr über eine philosophische Haltung heraus diesen Drang immer weiter, immer besser, immer mehr nach oben zu kommen, relativiert, sich bescheidenere Ziele setzt, sich auf eine Existenz einlässt, in der man auch realistische Erfolge erringen kann, und ich denke, diese Bescheidenheit, diese Einfachheit, dieses sich mit relativ leicht erreichbaren Lebenszielen anzufreunden, kann sehr schnell dazu führen kann, dass auch wieder Heiterkeit entsteht.«

Jenseits dieses Erfolgsdrucks versuchen die Mitglieder der Lachclubs, das Lachen wieder verstärkt in den Alltag zu integrieren. Gudula Steiner-Junker lernte vor fünf Jahren auf dem Baseler Humorkongress das Yoga-Lachen kennen. Der indische Arzt Dr. Madan Kataria entwickelte es 1995 und gründete mit fünf Leuten in einem öffentlichen Park in Bombay den ersten Lachclub weltweit.

Das Lachen funktioniert ganz ohne Witze, dafür aber mit Yogatechniken, bei denen alle Energiezentren, die sogenannten Chakren, durchflutet werden. Angefangen mit Kichern über exotisch klingende Übungen wie das Cocktail- und Einmeterlachen bis zum Löwenlachen. Dabei wird die Zunge möglichst weit herausgestreckt, die Hände krümmen sich zu Pranken und das Lachen tönt aus dem Bauch heraus.

Gudula Steiner-Junker: »Also, es gibt zum einen die Atemübungen, wo auch sehr viel gegähnt wird, was auch ein ganz natürlicher Fluss ist, dass Spannung abgebaut wird, da ist man sehr stark bei sich selber. Dann gibt es einzelne Lachübungen, die wir eben gemacht haben, so wie in den Händen lesen oder die Berge zum Einsturz bringen oder dieses laute Ja oder dieses Nicken, das sind so einzelne Lachschritte, die in sich sehr komisch sind. Ich bin auch so eine Närrin, d. h. ich nehme das wörtlich, wenn mir die Wissenschaft sagt, Lachen ist gesund und vorbeugend gegen Krankheiten, dann klar, nehme ich das wörtlich und lege mir die Hände auf den Bauch, beuge mich vor und lache. Da steckt natürlich ein Witz drin, ohne dass wir uns Witze erzählen und soviel Menschen da so mit Händen auf dem Bauch vorbeugend lachend durch den Raum gehen zu sehen, das ist urkomisch. Und dann da zwischendrin immer wieder so ein gemeinsames in die Hände klatschen, ein Ho Ho, Ha Ha, Hoho, Haha, so dass die Gruppe einen gemeinsamen Rhythmus findet, nachdem sie sich gemeinsam bewegt, was ganz wichtig ist, auch für das Gemeinschaftsgefühl und dann gibt es noch einen vierten Schritt, der ganz entscheidend ist, zum Schluss, auch dieses stille, die eigentliche Meditation, wo wir am Boden sitzen und lachen, aber dann eben auch in die Stille kommen.«

(O-Ton): »Am Anfang fand ich es etwas schwer zu lachen, eben auch am Boden, das fand ich doch etwas komisch, so ohne Grund zu lachen, aber jetzt kann ich es besser. Man lernt das Lachen. Es gibt eine ganze Menge Menschen und da rechne ich mich auch dazu, die es irgendwie verlernt haben zu lachen und hier habe ich es wieder gelernt. Wenn man sich nicht öffnen kann und hingeben kann der Sache, dann klappt es nicht. Das lernt man auch, sich zu öffnen. Öffnen ist sehr wichtig.«

(O-Ton): »Ich bin eigentlich eher schon ein ernsterer Mensch. Also sehr kopflastig, sehr Vernunft betont und denk zu viel nach und da kommt das Lachen zu kurz. Und dieses Lachen hat so für mich eine fließende, befreiende Wirkung. Da kann ich auch mal meinen Kopf in die Ecke schmeißen, wo er oft auch hingehört.«

(O-Ton): »Ich lache eigentlich schon gern. Nur zu diesem Zeitpunkt ging es mir seelisch nicht so gut . Dann bin ich jeden Mittwoch hierher und hab' halt gemerkt, das tut mir wahnsinnig gut und konnte dann auch viel viel besser schlafen und merke, dass ich heute viel freier lache als früher. Ich hab' früher sehr viel leiser gelacht, doch jetzt richtig powermäßig, einfach richtig raus.«

Lachlied ...

Ähnlich wie beim Lach-Yoga geht es jenseits des Polarkreises zu, wenn die Eskimos ihre Gesänge zur Erlangung der Fröhlichkeit anstimmen. Wie Ringer fassen sie sich an den Oberarmen, die Nasenspitzen nur eine Handbreit voneinander entfernt und stoßen eine Reihe von Hm-Ha-Hm-Ha-Ha Lauten aus, bis einer von ihnen in glucksendes Gelächter ausbricht. Im Süden Japans sorgt seit Tausenden von Jahren eine Lachprozession für Trubel, mit der man versucht, die übellaunige Göttin Niutsuhime aufzuheitern. Tausende grellgeschminkte und kostümierte Japaner ziehen Saki selig und schrill musizierend zum Schrein der Göttin. Angeführt von einer Art asiatischem Till Eulenspiegel mit Narrenstab, der das Lachen der Teilnehmer zum wogen bringt.

Lied: Es ist ein Lachen auf der Welt, was für ein Lachen ...

In vielen Firmen in den USA gehören Lachübungen, sogenannte Humorobics, zum täglichen Fitnessprogramm. Der Entwicklungspsychologe Paul McGee hat den Humor am Arbeitsplatz erforscht und sieht darin ein soziales Schmiermittel. Es sorgt für eine bessere Arbeitsmoral, Kreativität, Teamarbeit und Konfliktfähigkeit und damit für wirtschaftlichen Erfolg. Ein Volleyballturnier kann genauso dazu beitragen, wie ein betriebseigenes Kakophonieorchester.

Das Lachen ist ansteckend und grenzenlos. Inzwischen existieren weltweit über 800 Lachclubs. Allein in Deutschland gibt es mittlerweile 42. Lachen verursacht nachweisbar Hochgefühle. Es massiert Körper und Seele und wirkt dabei durchaus meditativ.

Gudula Steiner-Junker: »Die Idee hier ist, wirklich in seine eigene Mitte zu kommen und da so an die eigene Quelle der Kraft, die tatsächlich durch dieses - es ist paradox, aber das Leben und das Lachen ist so - man ist laut, man geht nach außen und man kommt über das Lachen so in einer Stunde tatsächlich in eine innere Ruhe, in eine innere Stille hinein. Und das ist die Idee und diese Stille wirkt nach und prägt auch den Alltag. Also es ist toll, laut zu lachen, denn das befreit. Die Idee, die dahinter steht ist nicht, dass wir immer nur laut lachen, sondern mehr dieses Lächeln. Und wir alle kennen Menschen, die dieses Lächeln haben und die eine Ausstrahlung haben von Heiterkeit und Gelassenheit und das ist ein Geisteszustand und ein seelisches Gleichgewicht, das uns nur gut tut.«

Im Zen-Buddhismus haben lachende Mönche eine lange Tradition. Von dem berühmten Zen-Meister Bodi Dhama wird berichtet, er habe, als er erleuchtet wurde angefangen, unbändig zu lachen. All das, wonach er bisher immer außerhalb gesucht hatte, befand sich nämlich in ihm selbst und er lachte über sich und die Suche der anderen.

»Als Gott lachte, entstanden sieben Götter, welche fortan die Welt regierten. Als Gott in Gelächter ausbrach, erschien das Licht. Beim zweiten Gelächter erschien das Wasser. Und als er lachte den siebten Tag, erschien die Seele.«

So erzählt man sich in Afrika.

Es ist gerade die Wechselwirkung zwischen Körper und Seele, die im Moment des Lachens beim Menschen besonders spürbar wird. Wenn wir lachen, schüttet unser Gehirn den Botenstoff Dopamin aus, der für euphorische Gefühle sorgt. Dabei wird dasselbe Hirnareal aktiviert wie bei der Einnahme von Kokain, hat eine Forschergruppe an der Stanford-University in Kalifornien herausgefunden. Das Lachen gesund ist, behauptet schon der Volksmund. Es stärkt das Immunsystem und wirkt sich auch positiv bei Allergien aus, wie Ergebnisse japanischer Forscher bewiesen haben. Die positive körperliche Wirkung im Stadium größter Erheiterung war auch Immanuel Kant nicht fremd, als er den Vorgang des Lachens beschrieb: »Eine wechselseitige Anspannung und Loslassung der elastischen Teile unserer Eingeweide, die sich dem Zwerchfell mitteilt, wobei die Lunge die Luft mit schnell einander folgenden Absätzen ausstößt und so eine der Gesundheit zuträgliche Bewegung bewirkt.«

Lachen ist wie Aspirin. Es wirkt nur doppelt so schnell, so der berühmte Komiker Groucho Marx.

Psychologe Dr. Michael Titze, Vorsitzender der Gesellschaft für therapeutischen Humor: »Physiologisch kommt es zu einem Stressabbau, zu einer Reduktion von Spannungszuständen, die man auf verschiedenen Ebenen nachweisen kann. Das ist zum Beispiel der Abbau von Stresshormonen. Es kommt auch zu einer Entspannung der Skelettmuskulatur: Bei einem intensiven Lachen spannt sich die Skelettmuskulatur zunächst an - man kennt das auch von den Bauchschmerzen, die man hat, wenn man gelacht hat. Aber wenn man dann länger lacht, wenn man am Stück lacht - und das ist ja auch der Sinn dieser neuen Lach-Yoga-Bewegung, dass man also nicht nur 2 - 3 Minuten lacht, sondern vielleicht eine halbe Stunde am Stück -, dann kommt es nach etwa 10 Minuten zu einer sehr starken Entspannung der Muskulatur und es gibt ja dann auch dieses bekannte Wort, dass man sich in die Hosen machen kann vor Lachen, was ein Hinweis darauf ist, dass sich sämtliche Muskeln radikal entspannen.«

Seit 6,5 Millionen Jahren lacht der Mensch. So der kalifornische Forscher Professor William Fry von der Stanford-University. Er begann in den 60-er Jahren erstmals die Wirkungen des Lachens zu untersuchen. Weltweit beschäftigen sich seitdem mehr als 200 Wissenschaftler mit der Gelotologie, der Lachforschung. Darunter Mediziner, Biologen, Psychologen, Neurologen, Sprachwissenschaftler und Verhaltensforscher. Wir lachen oft unbewusst und schon nach wenigen Wochen. Das Lachen ist vererbt und sogar taub-blind geborene Babys lachen uns genauso an wie sehende und hörende Kinder. Verhaltensforscher gehen davon aus, dass das Lachen eine Art archaisches Kommunikationsmittel war.

Dr. Michael Titze: »Mit dem Lachen haben die Vormenschen signalisiert, wie ihre emotionale Befindlichkeit war in einer Zeit, wo es die Sprache in dem Sinn, wie wir sie heute kennen, noch nicht gab. Das heißt, das Lachen zeigte den Angehörigen aus der gleichen Sippe zum Beispiel an, dass eine Gefahr überwunden war, dass man über einen Gegner, vielleicht auch gefährliche Tiere, gesiegt hat. Vor allem wurde über das Kommunikationsmittel des Lachens klargestellt: Wir sind nicht mehr gefährdet! Daraus entstand dann wohl auch ein ritualisiertes Triumphgeschrei, wie das die Verhaltensforscher nennen, das man ja auch heute noch kennt, wenn z.B. eine Fußballmannschaft siegt oder wenn man einen Gegner, vielleicht auch nur in einer verbalen Auseinandersetzung niedermacht. In diesen Fällen ist das Lachen immer noch in diesem archaischen Sinn zu sehen, im Grunde auch als ein Ausdruck einer Schadenfreude, die besagt: dem anderen geht es jetzt so schlecht, wie es auch mir hätte gehen können, wenn ich Pech gehabt hätte.«

Lied: Herbert Grönemeyer - »Was soll das?«

»Unglück, das man bei anderen sieht, wirkt stets erhebend aufs Gemüt«, schrieb schon Wilhelm Busch. Wir lachen aus Schadenfreude, aber auch aus Wohlwollen, aus Naivität oder Koketterie, aus Verlegenheit oder Überlegenheit, aus Ironie oder Verzweiflung. Gerade in unseren sogenannten Spaßgesellschaft boomen die Comedy-Shows und Dschungelabenteuer, bei denen wir uns über Pleiten, Pech und Pannen von mehr oder weniger prominenten Zeitgenossen amüsieren. Worüber aber lachen die meisten am liebsten?

Dr. Michael Titze: »Harald Schmid hat einmal gesagt, wenn ich die Leute wirklich zum Lachen bringen will, dann muss ich ziemlich tief unter die Gürtellinie gehen, also Zoten bringen. Das ist natürlich immer irgendwie mit Aggressivität verbunden, und man lacht dann auf Kosten eines anderen. Wenn dieser Humor hat, deswegen ist Humor ja auch so wichtig, nimmt er das gelassen, schlägt dann vielleicht auch zurück, dann ist es ein Spiel. Aber in dem Augenblick, wo sich jemand angegriffen fühlt und dann sehr ernst reagiert, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder es fängt ein Krieg an, der dann in sehr ernste Gefilde hineinführt oder der Betreffende, der sich wehrt, macht sich lächerlich. Das ist z. B. der Fall, wenn ein Politiker vor Gericht geht, weil er es nicht erträgt, dass man ihm sagt, dass er sich die Haare gefärbt hat.«

Die Einschätzungen, was lustig ist und was nicht, sind höchst subjektiv und variieren von Mensch zu Mensch und von Kultur zu Kultur. Mehr als wir oftmals vermuten sind unsere Anschauungen über das Lachen und den Humor von der abendländischen Philosophie geprägt. Über viele Jahrhunderte war das Lachen den Philosophen eher suspekt. Auch wenn schon Aristoteles in seiner Schrift über das Lachen verteidigte. Dr. Steffen Ditsch, Professor für Philosophie an der Humboldtuniversität Berlin und Kant-Biograph hat sich mit philosophischen Betrachtungen zum Lachen beschäftigt und kommt zu dem Ergebnis: »Mit Kant beginnt eine ganz neue Etappe im Nachdenken der Philosophie über das Lachen. Das Lachen wird nicht mehr wie früher als eine Zutat, als eine Arabeske des geselligen Lebens gesehen, sondern das Lachen wird jetzt verstanden als ein Grenzpunkt im Verstehen des Menschen. Das Lachen scheint etwas zu sein, was uns gewissermaßen in die Lage versetzt, momentane Schwächen der Vernunft irgendwie auszutarieren oder auszuparieren, d. h. dort wo die Vernunft am Ende ist kann man momentan etwas anderes anschalten, gewissermaßen im Körper - der Verstand ist zu Ende - aber im Körper gibt es noch Instanzen, die uns dann über diese Lücke hinweghelfen, wenn die Vernunft am Ende ist.«

In Folge der europäischen Aufklärung werden Lachen und Vernunft erstmals auf eine gemeinsame Ebene gehoben. Im Lachen sehen einige Philosophen nicht mehr nur eine unvernünftige körperliche Reaktion mit geselligen Qualitäten - nein, sie verbinden mit dem Lachen einen Gewinn an Erkenntnis.

Prof. Steffen Ditsch: »Es war gar nicht selbstverständlich das so zu sehen. Um dahin zu kommen musste man erst einen ganz neuen Kritikbegriff finden, der das herkömmliche dogmatische Wissen und die Untersuchungen, die zu einer endgültigen Wahrheit führen sollten, zurückzuweisen. Also erst in der kritischen Philosophie, wo man sich auf die Endlichkeit der menschlichen Erkenntnis besonnen hatte, setze ein neues Nachdenken über das Lachen ein, denn das Lachen war gewissermaßen derjenige Bereich, das Vermögen des Menschen, das man aktivieren konnte, wenn die begrenzte Verständigkeit des Menschen offenbar wurde. Also wenn man ein Paradox z. B. findet. Vor einem Paradox steht aller Verstand still, dann setzt der Körper ein anderes Organ ein - ein leibliches - nämlich das Zwerchfell wird aktiviert, um den drohenden Stillstand der Vernunft auf diesem Weg aushaltbar zu machen, dass der Mensch als vernünftiges Wesen weiterbestehen kann. Dort man nicht reden kann, muss man nicht schweigen. Dort wo man nicht reden kann, kann man zumindest lachen. Das ist ein befreiender Affekt gewesen, eine befreiende Feststellung, die wir wesentlich der französischen Aufklärung und vor allem auch Kant verdanken.«

»Das Lachen ist ein Affekt. Aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in Nichts«, heißt es bei Immanuel Kant.

Kant setzt das Lachen mit dem Nichts, der Negation in Verbindung. Dieser Gedanke war vor über 200 Jahren neu. Ein Gedanke, der die Überprüfung mit der Wirklichkeit bis heute standhält, so Steffen Ditsch: »Eine gespannte Erwartung, die sich in Nichts auflöst, das ist zum Beispiel ein Paradox. Das ergibt einen Widerspruch. Ein Widerspruch ist Nichts. Das kann man auch selber in der eigenen Erfahrung sehen, wenn man vor einer Lage steht, in der man ganz große Erwartungen hat und auf einmal stellt sich das als absolute Illusion heraus. Da ist man so perplex, dass man in der Regel lacht. Oder ins politische gewendet: Erinnern Sie sich an den Untergang des Sozialismus? Der Sozialismus war eine Erwartung der letzten und höchsten Befreiung der Menschheit und diese Erwartung zerbricht innerhalb einer halben Stunde in Nichts. Deshalb ist die Endphase der DDR geprägt von einem ungeheuren Gelächter, das man auf Demonstrationen hören konnte, das man überall hören konnte.«

»Ich liebe doch alle. Alle Menschen. Ich liebe doch. Ich setze mich doch dafür ein.« Großes Gelächter in der DDR-Volkskammer im November 1989 angesichts der Rede Erich Mielkes. Es bestätigt Kants Vermutung, dass am Ende aller Dinge, die einem heilig waren, nicht Nichts, sondern Lachen die Folge ist. Der Lachende nimmt gewissermaßen den Atem wieder auf. Er beginnt wieder neu nachzudenken. Das Lachen ist ein Weg, um Grenzsituationen des Menschen auf die Spur zu kommen. Das unwillkürliche Gelächter offenbart sich manchmal auch Angesichts des Todes und von Katastrophen. Es kann uns helfen, eine tragische oder absurde Situation zu ertragen und die Selbstbeschränkung des Denkens zu überwinden.

In Diktaturen hat man scheinbar eher einen entfesselnden Humor. In Demokratien eine entfesselte Humorindustrie. Das Lachen wirkt auf diejenigen bedrohlich, die gängige Ordnungen von Autoritäten in Frage gestellt sehen. Nicht die Bissigkeit, sondern die Verbissenheit ist das genaue Gegenteil des Humors und die Entwaffnung ist seine Stärke. Aufgrund der disziplinarischen Funktion war und teilweise ist das Komische und damit auch das Lachen der christlichen Kirche suspekt.

»Im Neuen Testament steht kein einziges Mal geschrieben: und Christus lachte. Er muss aber gelacht haben, wenn er Gottes Sohn war, denn Gott, dass weiß ich, ist auch das äußerste Lachen.«

Die Bibel ist lachfeindlich und die Frage, ob Christus gelacht habe, bewegte seit dem vierten Jahrhundert die Gelehrten. Es gehört zur Kulturgeschichte der Heiterkeit, dass noch im 12. Jahrhundert zwischen erlaubtem Lächeln und sündhaftem Gelächter streng unterschieden wurde. Viele Kirchenväter und die meisten Ordensregeln verboten geradezu das Lachen.

Prof. Steffen Ditsch: »Ein Großteil der Theologiegeschichte lebt davon, dass sie sich mit Häretikern auseinandersetzen mussten, und Häretiker waren meistens immer Leute der Fröhlichkeit, des Gelächters. Allerdings, wenn sie eine bestimmte Dogmatisierung in ihrer Dissidenz erreicht hatten, dann waren sie genauso, wie die, die sie bekämpfen wollten. Denken Sie an den alten Calvin oder Zwingli oder an die Frühform der Reformation, an den alten Luther. Also wenn sich eine neue Orthodoxie entfaltet, die wieder im Besitz der Wahrheit zu sein scheint, dann ist auch das Lachen dieser Dissidenz vorbei.«

Es ist die fehlende Distanz, die den selbstkritischen Blick und das Lachen über sich selbst behindert. Zur Philosophie gehört immer die Distanz, deren Ausdruck auch das Lachen ist. Der französische Philosoph Henri Bergson schreibt 1900 in seinem Essay über das Lachen, dass die größten Gegner des Lachens Mitleid und Rührung seien. In der Emotion sieht er den größten Feind des Lachens, weshalb das Lachen für ihn eine vorübergehende Anästhesie des Herzens ist. Komisch finden wir nach Bergsons Ansicht immer nur das Scheitern einer Person, die nicht hinlänglich an ihre Umwelt angepasst ist. Für ihn diese Form des Lachens ein Indiz für den Verfall der Lebendigkeit und es hat eine Warnfunktion inne, wenn in der Moderne zunehmend Lebendiges zu Unlebendigem gemacht wird.

Prof. Steffen Ditsch: »Nietzsche sagt, es kommt beim Lachen auf das wahrlachen an, nicht auf das totlachen, also nicht ein Spaß um des Spaßes willen, wir sollen uns nicht totlachen, sagt Nietzsche, sondern wir sollen die Sachen wahrlachen. Und dieses Programm des Wahrlachens, das überschreibt uns der Begriffsförmigkeit des Erkennens. Das verbindet einen Mann wie Nietzsche mit Joachim Ritter oder auch mit Udo Marquardt, der vielleicht ja der bedeutendste noch lebende Lachtheoretiker der Gegenwart ist, von dem diese schöne Bemerkung stammt, dass wir als Philosophen nicht der sitzenden Vernunft obliegen sollen, sondern dass wir uns wie die Nomaden auf den Weg machen sollen und zwar, der Weg ist klar, wir sollen uns ins Exil der Heiterkeit bewegen.«

Nur dort können wir uns nach Marquardts Ansicht aus der Enge der Systematik und Dogmatik befreien, können wir den Erkenntnisprozess nachspüren, ohne zeitlose Wahrheiten einzufrieren.

Prof. Steffen Ditsch: »Das ist also gar kein Refugium, also gar keine Verzichtserklärung auf die Vernunft, ganz im Gegenteil. Auf diesem Weg ins Exil der Heiterkeit kann die Philosophie all ihre großen Werte bewahren, nämlich Streben nach Wahrhaftigkeit, Kritikfähigkeit und Selbstkritik.«

Gerade das, was dem Patienten Angst macht, wird der Lächerlichkeit preisgegeben. Ein komischer Pessimismus kann zutage treten und das Ganze grundsätzlich relativieren und damit heilend wirken. Der Psychologe Dr. Michael Titze der sich in seinen Büchern als auch in der Praxis mit dem therapeutischen Humor auseinandergesetzt hat, sieht darin vor allem eine Hilfe für Menschen, die stark unter sozialen Ängsten leiden und sich häufig schämen.

Dr. Michael Titze: »Man hat nun festgestellt, dass Menschen, die diese Schamerlebnisse häufig gehabt haben, also die Überzeugung gewonnen haben, so wie ich bin, bin ich nicht gut genug, ich müsste besser sein: dass diese Menschen sehr schnell profitieren, wenn sie in Gruppen sind, wo im Grunde nichts anderes gemacht wird, als Wege zur Unverschämtheit zu erproben- aber in positivem Sinne! Unverschämt zu sein ist nicht schamlos, sondern eine Einstellung, die nicht mehr dazu führt, sich so überzeugen zu beurteilen, wie es im Hinblick auf die eigenen Ideale oder die Erwartung anderer Menschen stimmig wäre. Das führt dann eben dazu, dass die Teilnehmer von Schamüberwindungsgruppen Selbstbehauptungsübungen machen, die schon sehr clownesk sind, die sehr viel Komisches enthalten, wie z. B. auf offener Straße Lieder singen oder an einem strahlenden Sommertag mit einem Regenschirm durch die Fußgängerzone zu gehen, Menschen anzusprechen, sich auf einen Baum zu setzen und von oben eine Ansprache zu halten ... Dies alles sind Verhaltensweisen, die ziemlich riskant sind, wenn man in jeder Hinsicht unauffällig sein möchte, die aber sehr viel Freude und Spaß machen, wenn man das Ganze in einer Gruppe macht und sich in die Richtung bewegt, in die Komiker und Clowns immer schon gegangen sind.«

Das Clowneske, die kindliche Unvernunft ist auch die Medizin, mit der die Klinikclowns arbeiten. Hierfür gibt es inzwischen spezielle Ausbildungen um z.B. auf Kinderstationen dem Lachen eine Chance zu geben. Das Lachen zeigt nachweisbare Wirkung.

Dr. Michael Titze: »Es ist bekannt, dass nicht nur bei Kindern, sondern ganz allgemein bei Patienten, die in Krankenhäusern mit der Arbeit von Klinikclowns in Berührung gekommen sind, die Verweildauer wirklich signifikant im Krankenhaus verkürzt wurde, d. h. die Patienten werden schneller gesund. Man kann in entsprechenden Untersuchungen auch nachweisen, dass die Blutinhaltsstoffe, die für die Immunabwehr notwendig sind, sich in diesem Zusammenhang eher vermehren als bei Patienten, die nicht mit Klinikclowns oder nicht mit therapeutischem Humor in Berührung gekommen sind.«

Gudula Steiner-Junker ist seit einigen Jahren im Wiesbadener Raum als Klinikclown im Einsatz. Sie weiß worauf es bei dieser Arbeit ankommt: »Es erfordert sehr viel Sensibilität und Achtsamkeit. Es ist eine sehr feine Arbeit, wo wir also auch sehr fein auf jeden einzelnen, auf jedes einzelne Kind, eingehen und auch da ist nicht das Ziel laut zu lachen, sondern die Idee ist im Grunde ähnlich wie im Lachclub, dass so ein kleines Licht angezündet wird, eine kleine Flamme und die leuchtet länger und es ist die eigene Flamme, die angezündet wird. Was wir mitbringen, ist die Welt der Phantasie, die Welt des Spiels. Was ich absolut richtig finde, ist das, was der Schiller gesagt hat, dass der Mensch nur da ganz Mensch ist, wo er spielt. Und entsprechend finde ich, dass der Mensch nur da ganz Mensch ist wo er lacht.«

Lied: »Ich bitte euch, vergesst das Lachen nicht. Es ist, als würdet ihr euch selbst vergessen.«