Das sagt jedenfalls der Psychotherapeut und Humorforscher Dr. Michael Titze. Schadenfreude gehöre zur Grundausstattung des Menschen, um mit menschlichen Problemen fertig zu werden. Natürlich dürfe man nicht immer darüber reden, aber für sich ganz alleine Schadenfreude zu empfinden, das ist für ihn ein Vermächtnis unse-rer Kindheit. Damals haben wir Schadenfreude im Geschwisterkreis benötigt, um mit der Geschwisterrivalität fertig zu werden.
Schadenfreude - Ausdruck eines Überlebenskampfes
Doch das ist nur eine Ursache der Schadenfreude. Die Anfänge dieser »anrüchigen« Emotion reichen weit in die Menschheitsgeschichte zurück.
Von jeher signalisierten Jäger mit ihrem Lachen und Rufen dem eigenen Clan, dass die Gefahr vorbei und der Feind überwältigt ist. Die archaische Freude des Sieges ist uns Menschen erhalten geblieben. Das sieht man bei jedem Fußballspiel.
Aber warum lachen wir auch, wenn jemand hinfällt oder gegen eine Mauer läuft? Für den Humorforscher Michael Titze liegt das daran, dass wir froh darüber sind, dass es nicht uns selbst passiert ist, sondern jemanden anderen. Momentan sei man in einer besseren Situation, wohl wissend, dass es einem in kurzer Zeit genau so gehen könnte, erklärt Titze.
Genau dieses Gefühl kannten wohl auch die Menschen im 30jährigen Krieg, im 17. Jahrhundert. Man lachte darüber dem Morden entkommen zu sein. Und nannte dies Schadenfreude. Die Engländer und Franzosen fanden den Begriff so treffend, dass sie ihn in ihre Sprachen übernommen haben ohne ihn zu übersetzen.
Auch in der heutigen Zeit ist die Schadenfreude Ausdruck eines Überlebenskampfes. Sie hat im Laufe der letzten Jahrzehnte zugenommen! Das liege am zunehmenden Leistungsdruck, sagen Wissenschaftler. Jeder will der Beste, Schönste, Reichste sein. Davon leben auch Fernsehshows wie »Deutschland sucht den Superstar« bei RTL.
Das Versagen wird in der Show in Szene gesetzt. Schließlich lacht das Fernsehpublikum über die Versager auf der Bühne, die von Dieter Bohlen und seinem Team nieder gemacht werden.
Mit Schadenfreude Profit machen
Als Psychologe und Psychoanalytiker setzt sich M. Titze mit der heilsamen Wirkung von Humor auseinander.
Für Michael Titze ist die Zunahme solcher Fernsehsendungen, die Menschen zum Spott der anderen machen indem ihre Schwächen vorgeführt werden zwar Ausdruck unserer Überbietungsgesellschaft mit übersteigertem Perfektionszwang, aber das Prinzip ist seiner Meinung nach ein alter Hut.
Das Ganze habe es beispielsweise schon vor 2000 Jahren in den römischen Arenen gegeben. Damals hätten die Leute fürchterlich gelacht, wenn arme Leute, als lebende Fackeln umher liefen und versuchten das Feuer zu löschen, es aber nicht schafften, sagt Titze. Für den Psychotherapeuten kippt die Schadenfreude in solchen Situationen in reinen Sadismus um.
Heute wird mit Schadenfreude Profit gemacht. Die obszönen Sprüche von Dieter Bohlen und Heinz Hehn bringen RTL Quote.
Für Michael Titze liegt es daran, dass heute jeder darauf getrimmt werden, erfolgreich sein zu müssen und sich viele dabei selbst überschätzen. »Viele bleiben auf der Strecke, haben einfach nicht die Kraft, auch nicht die Energie das mit zu machen. Und sie wissen, sobald sie nicht bei diesem Rennen um den ersten Platz mit dabei sind, sind sie weg«, sagt der Humorforscher und Therapeut.
Das würde Verbitterung, Minderwertigkeitsgefühle und Wut hervorrufen. Diese hilflose Wut würde kurzfristig kompensiert, wenn man sähe, dass es anderen noch schlechter ginge.
Sein Vorschlag: besser ist es die Flucht nach vorne an zu treten. Mutig die eigenen Schwächen in Szene setzen und dabei über sich selbst lachen zu lernen. Lieber der Viertbeste oder Fünfbeste sein zu wollen macht das Leben leichter und das alles gewürzt mit Humor. Nach dem Motto: »wenn ich schon ein Idiot bin, dann will ich das so perfektionieren, dass ich der König der Idioten bin«, meint Titze.
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