Hessischer Rundfunk hr2, Hörfunk - Bildungsprogramm WISSENSWERT, 15.02.2007
Der Ursprung des Lachens. Woher kommt der Scherz? (gekürzt)
Redaktion: Volker Bernius
Von Vera Kröning
Sprecherin: In den ersten Lebenswochen lächelt der Mensch zum ersten Mal, meist im Schlaf. Die Mundwinkel ziehen sich leicht zitternd nach oben und der Mund öffnet sich zu einem so genannten Engelslächeln, ausgelöst durch einen Reflex.
Mit acht Wochen kann das Baby gezielt Personen anlächeln, denn nun kann es verschiedene Gesichter auseinander halten. Von den Augen sind Babys besonders fasziniert. Alles, was Augen hat, wird angestrahlt. Mit zwölf Wochen kichert das Baby und freut sich über Späße - zum Beispiel, wenn die Mutter an seiner Flasche nuckelt.
Erst am Ende des vierten Monats beginnt das Baby, laut zu lachen. Braucht es diese Zeit, um das Lachen zu lernen, so wie später das Sprechen der ersten Worte wie »Mama« oder »Papa«? Oder ist das Lachen eine angeborene Fähigkeit? Carsten Niemitz, Humanbiologe an der Freien Universität Berlin, wollte das herausfinden.

Niemitz: Wir haben Experimente gemacht dazu und zwar haben wir Leuten stumm, also als Stummfilm, Lachen angeboten. Und haben sie gefragt, wie gewinnend, wie herzlich sie dieses Lachen finden oder ob sie es nur so mittelmäßig finden oder ob sie es hämisch, höflich kontrolliert oder so finden.

Sprecherin: Um zu erforschen, ob das Lachen angeboren ist, untersucht Carsten Niemitz die Wahrnehmung des Lachens. An Erwachsenen hat er getestet, ob sie natürliches Lachen von gekünsteltem Gelächter bewusst oder unbewusst unterscheiden. Für Niemitz gehören das Lachen einerseits und das Erkennen des Lachens andererseits untrennbar zusammen: Wenn der Mensch das Lachen anderer unbewusst erkennen kann, dann kann er auch das eigene Lachen unbewusst erzeugen. Das Ergebnis: Die Testpersonen konnten sicher unterscheiden, welche Lacher künstlich und welche echt und herzlich waren.

Niemitz: Sie sagen dann zum Beispiel, wenn wir fragen, »woran liegt es denn jetzt«, »ja, ich hab doch schon gesagt, die hat so gestrahlt«, oder: »der war so frisch«. Bei dem, was wir aber vermessen hatten, war, dass diejenige den gegenüber nur ganz kurz angestrahlt hatte. Und dass sie dann die Augen geschlossen hatte, und dann gingen die Augen wieder auf und derjenige guckte weg! Das heißt, der hat sein gegenüber nicht angestrahlt.

Sprecherin: Die Testpersonen konnten nicht erklären, warum sie ein Lachen herzlich fanden oder nicht. Zu einem echten, natürlichen Lachen gehören bestimmt Kriterien. Innerhalb einer halben Sekunde breitet es sich über das ganze Gesicht aus. Die lachende Person sucht keinen Blickkontakt, schließt die Augen und fixiert nicht sofort das Gegenüber. Keine der Testpersonen war in der Lage, diese Details zu benennen.

Niemitz: Derjenige, der das auswertet, der gegenüber, der nimmt das auch unbewusst war, weil er es gar nicht beschreiben kann. Er steckt das in eine bestimmte Kategorie, hat etwas gesehen, aber in Wirklichkeit ist es so unterbewusst geblieben, dass er es gar nicht aufrufen kann, woran es liegt. Und das beweist eben auch, dass es kulturunabhängig ist und dass es genetisch ist.

Sprecherin: Der Versuch des Humanbiologen Carsten Niemitz hat gezeigt: Die Fähigkeit, zu lachen und Lachen zu verstehen, ist nicht erlernt, sondern angeboren.
Doch - was ist Lachen eigentlich?

Im Lachen äußern wir positive Emotionen in verschiedenen körperlichen Abläufen. Siebzehn Gesichtsmuskeln werden beim Lachen aktiv. Die Nase kräuselt sich, die Nasenlöcher werden geweitet. Der Kopf fällt in den Nacken und das Gesicht färbt sich rot, die Augen sind dabei fest zusammengekniffen. Die Atmungsfrequenz erhöht sich, der Brustkorb wird teilweise schmerzhaft gezerrt. Die Lunge nimmt drei- bis viermal soviel Sauerstoff auf, wie sonst. Das Zwerchfell spannt sich. Dann wird der Atem stoßartig mit hundert Stundenkilometern ausgepresst.
Das Herz schlägt schneller, wie bei einem Wettrennen. Der Blutdruck erhöht sich und der gesamte Stoffwechsel wird angeregt. Auch die Blasen- und Darmtätigkeit regt das Lachen an. Deshalb machen sich manche vor Lachen in die Hose.
Das Zentrum für Gefühle sitzt im menschlichen Gehirn im limbischen System. Während des Lachens werden hier Endorphine ausgeschüttet, auch Glückshormone genannt. Sie sind für die gute Stimmung verantwortlich, die mit dem Lachen einhergeht. Lachen regt das vegetative Nervensystem an. Durch Nervenimpulse wird in der Tränendrüse Flüssigkeit abgegeben - Lachtränen entstehen.
Nach dem Lachanfall schaltet der Körper auf Entspannung. Die Arterien weiten sich, der Blutdruck sinkt. Lachen ist ein typisch menschlicher Laut, so ähnlich wie eine einfache Melodie.
Weil Lachen angeboren ist, sind auch die Bewegungen, die wir beim Lachen machen, auf der ganzen Welt dieselben. Ein Lachen oder Lächeln wird überall erkannt, sagt der Humanbiologe Carsten Niemitz.

Niemitz: Insgesamt ist Lachen und Lächeln eine Universalie. Alle Menschen der Welt sind im Prinzip gleich geeicht, sie sind gleich fröhlich sie sind gleich traurig und sie lächeln und lachen im Prinzip auch ganz, ganz ähnlich viel.

Sprecherin: Die Deutschen lachen also nicht weniger als die Asiaten. Es gibt dabei nur kleine Unterschiede. Japan gilt als Land des Lächelns. Es gehört dort zum respektvollen Umgang miteinander, bedeutet jedoch nicht zwingend Herzlichkeit oder gar Freundschaft. Es ist eine Form der Höflichkeit. Das herzhafte Lachen mit weit geöffnetem Mund ist hingegen ein Affront. Deshalb halten Japaner beim Lachen die Hand vor den Mund.

Niemitz: Wenn man am Telefon in Zentral- und Westafrika jemanden begrüßt, dann sagt man eben nicht nur guten Tag, sondern man sagt dann auch »hehehehehe«. Dazu, dass ist ne Freundlichkeit, die wir manchmal ein bisschen komisch finden, solche Dinge kann man lernen, aber das Fröhlich-sein und das Kommunizieren mit dem gegenüber, das geht völlig automatisch.

Sprecherin: Das Lachen ist älter als die Sprache. Seit Millionen von Jahren in Psyche und Körper des Menschen verankert. Der Mensch lachte schon, bevor er überhaupt einen Witz verstehen konnte.
In der Zeit der Frühmenschen war das Lachen elementar, um sich untereinander zu verständigen. Lachend signalisierten sich die Frühmenschen aber auch, dass sie ein großes Tier für die Gruppe erlegt hatten, sagt der Psychologe und Lachforscher Michael Titze.

Titze: Wenn das Wild erlegt wurde, kam es zu einem brüllenden Gelächter: Diejenigen aus der Horde, die etwas weiter weg waren, haben dann gewusst, jetzt ist die Gefahr vorbei, jetzt ist der Sieg errungen, das ist ein Triumphgeschrei.

Sprecherin: Michael Titze bezeichnet das Lachen als sozialen Schmierstoff. Lachen machte deutlich, wer zum Stamm dazugehörte, und wer nicht.

Titze: Man sieht es zum Beispiel beim Fußballspiel. Wenn die eigene Mannschaft gewonnen hat, beginnen diejenigen, die als Fans dabei sind, in dieses Triumph-Lachen zu verfallen und liegen sich dann in den Armen. Auf jeden Fall ist es ein Ausbruch von positiven Emotionen und auch von Äußerungen eigener Stärke und eines Selbstwertgefühls, das besser nicht sein kann.

Sprecherin: Studien zeigen, dass Menschen in Gruppen über einen lustigen Film mehr als doppelt soviel lachen, als wenn sie ihn sich allein anschauen. Gemeinsam zu lachen ist leichter - denn Lachen ist Kommunikation.

Titze: Im Lachen äußert sich die Kraft, die Stärke, auch das aggressive Moment im Menschen, und zunächst ist es etwas, was den Gegner einschüchtern soll. Aber das Lachen hatte immer schon diese doppelte Funktion gehabt: nach innen, in die Gruppe hinein, schmiedet es zusammen: Diejenigen, die zusammen lachen, fühlen sich gemeinsam stark und sie brauchen den Gegner, über den sie lachen können.

Sprecherin: Wer neu in eine Gruppe kommt, lacht häufig ohne einen speziellen Grund. Es soll dem anderen signalisieren, dass man keine bösen Absichten hat. Eine Übertreibung dieser Geste wirkt jedoch auf Dauer irritierend: Dann bewirkt sie genau das Gegenteil, weil die merkwürdig ängstliche Heiterkeit als unangebracht empfunden wird.