3sat - nano, 18.12.2002
Aber warum lachen wir überhaupt? Weil es lustig ist. Aber warum?
Bericht von Nadia Salem
Also wenn wir den Butler im Silvesterkultfilm »Diner for one« wieder stolpern sehen, dann werden wir lachen, es ist ein klassischer Running Gag. Mit jeder Wiederholung wird der Witz besser. Aber warum lachen wir überhaupt? Weil es lustig ist. Aber warum?
Kein Wesen auf dieser Welt verschwendet mehr Zeit und Energie darauf, Humoriges zu erfinden und sich zu amüsieren, als der Mensch. Also muss etwas dahinterstecken, was im Laufe der Evolution Vorteile gebracht hat.
Wir ziehen die Mundwinkel nach oben, grinsen, kichern, lachen und das gerne und viel.
Im Schnitt lacht der Mensch etwa 15 Mal am Tag. Was so locker, leicht und unbeschwert aussieht, ist für den Körper richtig schwere Arbeit. Mit 100 km/h entweicht die Luft aus der Lunge. Fast 300 verschieden Muskeln werden für das Lachen angespannt. Angefangen beim Gesicht, bis hin zum Bauch und wir können ihm einfach nicht widerstehen.


Michael Titze: Lachen ist deswegen ansteckend, weil es ein sehr alter Reflex ist, der eine Bezugsgruppe kommunikativ miteinander verbindet. In einer Zeit, als die Menschen sich verbal noch nicht verständigen konnten, war das Lachen ein ganz basales Ausdrucksmittel, das einen Zustand von Wohlbefinden, von Freude, von Kompetenz signalisiert.

Sprecher: Bevor der Mensch die Sprache entwickelt hat, war die Mimik das Mittel zur Kommunikation. Noch heute können wir gut aus Gesichtern lesen, wissen wie sich derjenige fühlt, ohne dass er es sagen muss. Auch der Ausdruck des Lachens sieht bei allen Menschen gleich aus. Lachen erkennen wir daher auch ohne es zu hören. Was so universell verstanden wird, muss stammesgeschichtlich schon sehr alt sein. Wo aber liegen die Ursprünge des Lachens? Ist es eine Eigenschaft, zu der nur wir Menschen in der Lage sind?

Carsten Niemitz: Also nicht nur der Mensch lacht. Unsere nächsten Verwandten, Menschenaffen, lachen auch. Wir haben sogar das Grinsen oder Lächeln bis hinunter bis zu den Halbaffen, bis dorthin können wir es beobachten. Aber dass das ein richtig breites Lachen wird und dass es auch dann rhythmisch wird, das können nur die Menschenaffen noch. Bei Schimpansen zum Beispiel kann man es auch hören. Also man sieht es dann nicht nur, sondern hört auch ein Hecheln.

Sprecher: Lachen dient der Beschwichtigung und der Unterordnung, beim Affen und beim Menschen. Das ist auch einer der Gründe, warum Frauen öfter lachen als Männer. Mit Hilfe ihres Lachens konnten sie drohende Konflikte in ihrer Gruppe entschärfen und so die Überlebenschancen der eigenen Sippe erhöhen. Aber der Zweck des Lachens erschöpft sich nicht nur im Besänftigen. Lachen dient auch der reinen Unterhaltung. Hier gibt es wiederum keinen Unterschied zwischen Affen und Menschen und auch in anderer Hinsicht nicht.

Carsten Niemitz: Natürlich kitzeln sich Menschenaffen und bei den Kindern und Jugendlichen sozusagen, also bei den infantilen und juvenilen Menschenaffen gibt es ganz klare Gesten, von denen die Sozialpartner alle wissen, das ist die Geste die heißt: komm kitzeln. Also sie mögen das sehr gerne und wenn sie guter Laune sind, dann spielen sie auch und wollen dann gekitzelt werden.

Sprecher: Und wir wollen es ja auch mehr oder weniger. Fest steht, dass es eine körperliche Reaktion ist, gegen die wir uns praktisch nicht wehren können. Warum das so ist, ist bis heute noch eine ungelöste Frage.

Michael Titze: Das ist ein rein körperlicher Reflex, der schwer zu erklären ist, denn man kann sich ja nicht selbst über das Kitzeln zum Lachen bringen. Ich vermute, es hat etwas auch mit Erfahrung aus unserer sehr sehr frühen Entwicklung, also aus der Babyzeit zu tun.
Denn das Kitzeln des Babys ist eine sehr intensive Kontaktherstellung und ein Baby, das von seiner Mutter, seiner Bezugsperson gekitzelt wird, weiß, dass ihm etwas Gutes angetan wird.

Sprecher: Es gibt Situationen, da macht das Lachen mit uns, was es will.

Michael Titze: Man ist also so in der Routine und man weiß, es muss so weitergehen. Doch dann geschieht etwas, was uns aus dieser kontrollierbaren Routine herausbringt. Und gleichzeitig kommt der Gedanke: Um Gotteswillen, jetzt zu lachen, das wäre sehr peinlich! Zum Beispiel ist es bei einer Beerdigung verboten, anders zu reagieren, als traurig zu erscheinen. Das Übertreten von Verboten ist aber genau das, was in einem Witz stattfindet: Man springt aus dem fest gefügten Bett der Rationalität heraus und ist plötzlich irgendwo ganz anders. Genau in dieser unkontrollierbaren Situation setzt dann das Lachen ein.

Sprecher: Lachen hat also viele Ursachen. Und bei uns Menschen ist es, anders als beim Affen, nicht nur positiv gemeint. Denn nur wir sind in der Lage laut zu lachen.

Carsten Niemitz: Dass die Akustik dazugekommen ist in der Stammesgeschichte, dass wir also laut lachen, das ist natürlich auch, dass wir andere ausgrenzen können. Das heißt, die die das Lachen hören, aber nicht sehen, kommen entweder dazu und sagen: Ach, das möchte ich auch, wie heißt denn der Witz? Oder sie sind misstrauisch und wissen, in dieser Gesellschaft können sie jetzt nicht hinein und sie dürfen jetzt wahrscheinlich nicht mitlachen. Das heißt also, auslachen ist eine menschliche Neuerwerbung.

Sprecher: Und auch eine andere Neuerwerbung ist typisch für den Menschen: Der Witz.
Unsere komplexe Sprache hat ihn erst möglich gemacht. Aber was genau macht einen gelungenen Witz aus?

Michael Titze: Wir lachen dann über Witze, wenn wir plötzlich aus der Logik des Erwachsenen aussteigen. Ein Witz beginnt so, dass man irgendeine Geschichte erzählt, die zunächst ganz normal ist. Dann kommt die Pointe, die in eine völlig andere Richtung führt. Das ist etwas, was zum Beispiel Woody Allen sehr gut beherrscht. Er sagte einmal: »Es mag sein, dass es kein Leben nach dem Tode gibt, aber versuchen Sie erst einmal einen Klempner am Wochenende zu finden!«

Sprecher: Haben Sie eben auch gelacht? Wenn ja, dann ist in ihrem Gehirn folgendes passiert: Der Witz gelangt zunächst über die Ohren in die Sprachareale und wird dort analysiert. Seine eigene Logik löst widerstrebende Emotionen aus, was vom rechten Stirnhirn registriert wird. Es übernimmt nun das Kommando und stimuliert eine andere Hirnregion, das so genannte sublementär-motorische Areal. Hier ist sozusagen der Bewegungsablauf des Lachens gespeichert. Einmal aktiviert, ist das Lachen nicht mehr aufzuhalten.
Warum das Gehirn bestimmte Wortspiele lustig findet, das kann auch heute noch kein Wissenschaftler schlüssig beantworten. genauso wenig wie die Frage: »Warum manche Menschen Sinn für Humor haben und andere nicht.«

Oliver Maria Schmitt, er war 5 Jahre Chefredakteur beim Satiremagazin »Titanic« der also selbst auch viele Witze gemacht hat, wird vom Moderator gefragt, ob er selbst überhaupt lachen, richtig herzhaft lachen kann, das die Tränen kommen?

Oliver M. Schmitt: Über eigene Witze leider nicht, aber wenn jemand anderer einen guten vorbringt oder erzählt, dann lache ich sehr gerne darüber.

Moderator: Was sind denn für Sie gute Witze?

Oliver M. Schmitt: Gute Witze sind die, über die ich lachen kann. Das ist das einzige Merkmal eines guten Witzes, wenn man drüber lacht. Es ist auch die Belohnung dafür und dass ein guter Witz wird, das weiß man vorher eigentlich nie. Das muss dann der Leser entscheiden.

Moderator: Aber trotzdem muss man als Autor oder auch wenn man auf der Bühne steht natürlich kalkulieren können, wie das Publikum damit umgeht. Irgendwie eine Ahnung haben, was als Witz ankommt. Gibt es da eine Art Rezept, Strickmuster?

Oliver M. Schmitt: Es gibt natürlich ein gewisses Handwerkszeug. Reizwörter mit denen Kabarettisten arbeiten, Kohl war früher ein solches. Fäkalausdrücke funktionieren auch fast immer, wenn man es geschickt kombiniert. Es gibt natürlich verschiedene Handgriffe, aber die besten Witze oder die schönsten Witze sind eigentlich die überraschenden. Das ist ja das, was man von einem Witz haben will, dass man überrascht, überrumpelt wird, etwas Unvorhergesehenes passiert. Dann stellt sich das Lachen ein, als Kontrollverlust, man weiß gar nicht, wo man ist und das sind dann eben die 5 Prozent, die man nicht planen kann. Weil sie anders sind als die anderen.

Moderator: Witze werden gerne gemacht über die anderen, vor allem über Minderheiten natürlich muss man über sich selbst lachen können, um gute Witze zu machen?

Oliver M. Schmitt: Muss man nicht, denn auch schlechte Menschen lachen gerne. Es gibt auch Bilder vom lachenden Hitler oder was weiß ich. Ich weiß nicht worüber er gelacht hat, aber das ist kein Qualitätsausweis. Man lacht natürlich gern, wenn jemand anderem etwas zustößt, hier das Stichwort »Schadenfreude«. Das ist natürlich klar, wenn man sieht, wie jemand anderem ein Verhängnis passiert, freut man sich, das man selber unbeschadet dabei weggekommen ist und das ist das sehr schön und dann kann man auch lachen.

Moderator: Sigmund Freud hat einmal gesagt, dass zum Lachen, zu einem guten Witz dazugehört, dass man gewisse Grenzen überschreitet. Ist danach alles offen, wenn ich diese Grenze überschritten habe oder gibt es trotzdem noch Grenzen?

Herr Schmitt: Uns, dem Satiremagazin »Titanic«, wird oft vorgehalten, dass man außerhalb der Grenzen von 1937 keine Witze machen darf. Das machen wir natürlich trotzdem. Es gibt eine ganz wichtige Grenze, das ist die, wo es nicht mehr lustig wird. Wo diese Grenze allerdings ist, das weiß keiner. Die Grenze des guten Geschmacks ist bisher absolut unerforscht. Keiner weiß, wo die sich genau befindet. Sie ist bei jedem anders, und wir arbeiten dann Monat für Monat daran, herauszufinden, wo diese Grenzen sind. Dazu muss man sich natürlich herantasten, muss die auch mal überschreiten, aber das ist Geschmackssache. Ein Klassikliebhaber kann dem HipHopper nicht vorwerfen, dass er keine Musik hört und aufhören solle, sich das anzuhören. Es ist einfach etwas anderes.

Moderator: Mit ihrem neuesten Titel versuchen sie einmal wieder solch eine Grenze zu überschreiten. Titel »Schluss mit den Schröder-Witzen« und Herr Schröder in eindeutiger Pose. Ist das ein reiner Werbegag? Man treibt also den Tabubruch immer ein wenig weiter raus, um dann garantiert in die Schlagzeilen zu kommen?

Oliver M. Schmitt: Zur Ausgabe möchte ich sagen, das ist wohl ein klassisches Beispiel eines extrem misslungenen Witzes, steht ja nicht mal Doris auf dem abgebildeten Pferd drauf. Also ich kann über so was gar nicht lachen. Warum dann so was gemacht wird ist mir rätselhaft, aber das zeigt letztlich auch, dass dieses Blatt immer noch unberechenbar ist. Ich finde es überhaupt nicht komisch und ich habe mir zwar diesen Witz ausgedacht, aber bin jetzt auch dagegen.

Moderator: Glauben Sie, der Herr Schröder wird sich so was anschauen und gefallen lassen?

Oliver M. Schmitt: Wahrscheinlich schon, er hört so was gerne. So wie er auch den Steuersong am ersten Tag glaube ich bereits gehört hat. Aber er erzählt bis heute, dass er ihn nicht kennt, und dann kennt er natürlich auch dieses Heft nicht.

Moderator: Hat sich denn eigentlich etwas verändert im Umgang mit den Witzen und was wir lustig finden?

Oliver M. Schmitt: Ja, ich glaube und es tut mir leid in dieses Horn stoßen zu müssen, aber es ist natürlich ein eindeutiger Bildungsverlust da. Komplizierte Witze, die ein Bildungsniveau erfordern, werden zumindest in der breiten Masse nicht mehr so verstanden. Deswegen sitzen wir heute im Kino und schauen uns Teenagerkomödien an, wo es hauptsächlich um Körpersäfte geht. Da tut sich natürlich ein etwas komischer, etwas schwer zu verstehender Komiker wie Helge Schneider schwer, weil dazu muss man auch noch ein bisschen mehr wissen, um das verstehen zu können.