SWF - Fernsehen, 25.05.1992
Hallo, wie geht's? - Lachen ist gesund (gekürzt)
Moderator Gerd Klindt
Gerd Klindt: »Junge« sagte meine Großmutter immer zu mir »lache viel im Leben, denn Lachen ist die beste Medizin.« Und wie recht sie hatte, denn die Wissenschaft beweist es insofern, das in England beispielsweise, die erste Praxis für Lachtherapie eingerichtet wurde und in den USA sprießen so genannte Frohsinns-Center wie die Pilze aus dem Boden.
Wer so recht aus voller Seele lacht, der braucht kein schlechtes Gewissen zu haben - so heißt es in einem Sprichwort. Ich glaube nicht so ganz daran, und ich glaube auch nicht daran, was einmal in einem Fernsehfilm vor Jahren gezeigt wurde, von einem Jungen Tim Taler, der sein Lachen verkaufte.
Für mich bedeutet Lachen sehr viel. Denn ein Tag ohne Lachen ist für mich ein verlorener Tag. Dr. Titze haben sie heute eigentlich schon einmal herzhaft gelacht?

Dr. Titze: Ja, heute schon und wenn's geht immer öfter.

Klindt: Sie haben eines von vielen Büchern, welches Sie geschrieben haben »Heilkraft des Humors« genannt. Ist das denn so wichtig, dass sich die akademische, die medizinische Wissenschaft so mit dem Lachen beschäftigt?

Dr. Titze: Ja unbedingt. Man schreibt über alles Mögliche und über Humor wird erst seit relativ kurzer Zeit geschrieben.

Klindt: Wie ist das ganze eigentlich entstanden? Wie ist die Lachtherapie in die Medizin gekommen?

Dr. Titze: Das ist ganz interessant. Es war kein Mediziner und auch kein Psychologe, der die Humor- oder Lachtherapie entwickelt hat, sondern ein Kollege von Ihnen, ein Journalist namens Norman Cousins, der an einer sehr schweren Knochenhautentzündung litt. Um es ganz kurz zu sagen, diese Krankheit hätte dazu führen können, dass er irgendwann im Rollstuhl geendet wäre. Er wollte das nicht akzeptieren. Er wusste: Wenn ich traurig bleibe, dann erzeugt das Stress, dann geht's bei mir schnell bergab. Also muss ich das Gegenteil machen: Ich muss mich in eine heitere Stimmung versetzen, ich muss lachen. Was tat er also? Er schaute sich Slapstick-Filme an, und dies führte dazu, das er nach einem zehnminütigen Lachen zwei Stunden schmerzfrei war. Er konnte wieder schlafen, und der Entzündungsprozess ging so weit zurück, dass er inzwischen gesund ist.

Klindt: Nun hat man das ja erforscht. Was passiert denn überhaupt im Körper wenn man lacht?

Dr. Titze: Es passiert sehr viel, vor allem hormonell. Die näheren Zusammenhänge werden erst in allerletzter Zeit untersucht. Ein spektakuläres Ergebnis ist, dass die Ausschüttung von Endorphinen aller Wahrscheinlichkeit nach gesteigert wird. Endorphine (auch Glückshormone genannt) sind ein körpereigenes Morphium, das erst vor kurzer Zeit entdeckt wurde. Dieses Hormon wird auch nach ausgiebigem Joggen ausgeschüttet. Das ist die Ursache für ein Hochgefühl, das auch mit einer Schmerz-Befreiung einhergeht.
Bei einem intensiven Lachen werden aber auch stressreduzierende und entzündungshemmende Hormone in den Blutkreislauf ausgeschüttet. Außerdem werden Inhaltsstoffe freigesetzt, die eine Steigerung der Immunabwehr bewirken.

Klindt: Sie können ja als Fachleute auch erkennen, welche Form das Lachen überhaupt hat. Es gibt ja so das gequälte Lachen, das gezwungene Lachen, spiegelt das sich so aus dem Menschen heraus?

Dr. Titze: Es ist so, das Lachen ist grundsätzlich (auch) Ausdruck einer aggressiven Vitalität, die durchaus konstruktiv ist. Das haben schon die Philosophen vor Jahrhunderten festgestellt. Von daher ist echtes Lachen geeignet, Selbstwertgefühl und Lebenskraft zu fördern. Das gequälte Lachen ist eigentlich kein echtes Lachen. Es ist der Versuch eines Menschen, der sich gar nicht stark fühlt, so zu tun, als wäre er stark. Dieses Lachen ist also gespielt.

Klindt: Aggression, also das verwirrt mich jetzt im Moment. Ist das denn eine negative Sache, wenn ich so richtig aus vollem Herzen lache? Nein, das kann es doch gar nicht sein, eine aggressive Phase?

Dr. Titze: Aggression muss nicht destruktiv sein. Es gibt die konstruktive Aggression. Das heißt aus dem Lateinischen übersetzt einfach ein mutiges Herangehen an die Mitmenschen und an die Welt. Und das ist doch etwas sehr Positives!

Klindt: Nun habe ich gelesen, dass es in New York beispielsweise ein Kinderkrankenhaus gibt, da sind die Ärzte in Clownskostümen, haben Pappnasen auf, da wird richtig Therapie gemacht.

Dr. Titze: So ist es. Es gibt inzwischen in den Staaten 100 Kliniken, in denen Lachzentren und Lachzimmer eingerichtet wurden. Da werden Filme gezeigt, da gibt es Gelächterwagen und noch eine ganze Menge an weiteren spaßigen Dingen. Die dort tätigen Ärzte, speziell die Kinderärzte, bekommen inzwischen eine Zusatzausbildung, um Kinder zum Lachen zu bringen, aber auch zum Beispiel krebskranke Patienten.

Klindt: Eigentlich ist es ja schade, dass man so etwas wissenschaftlich irgendwo beweisen muss, denn eigentlich müsste es doch aus dem Bauch, aus dem Menschen herauskommen oder?

Dr. Titze: Sie haben völlig Recht. Das Lachen kommt aus dem Bauch, es hat etwas mit Atmung zu tun. Das Zwerchfell, der Atemmuskel im Oberbauch, ist spezifisch einbezogen. So ist ein ausgiebiges Lachen grundsätzlich ein Atemtraining. Systematisch geübt, könnte sich aus diesem Lachen irgendwann einmal eine Ergänzung für das Autogene Training ergeben. Wir jedenfalls machen hier in Deutschland und auch in der Schweiz, in Basel, Versuche mit dieser Art von lachendem Entspannungstraining. Wir nennen es »Reflexlachen«, und wir haben damit schon sehr schöne Erfolge gehabt.

Klindt: Ich möchte Sie oder Ihre Berufsgruppe nicht beleidigen, aber ich muss mir trotzdem die Frage stellen: Ja vielleicht irgendwann mal Lachen auf Krankenschein, ist das nicht lächerlich?

Dr. Titze: Das wird es wahrscheinlich so schnell nicht geben. Denn immer noch ist es so, dass Lachen als etwas nicht Seriöses angesehen wird. Gemeinhin wird auch angenommen, dass Lachen nicht in die Medizin und die Psychotherapie gehört, sondern ganz woanders hin, nämlich ins Kabarett. Aber es könnte sein, dass es bald zu einem Umdenken kommen wird. Ausschlaggebend sind die Untersuchungsergebnisse der Gelotologie, die nach wie vor so stichhaltig sind, das man sie über kurz oder lang ernst nehmen wird.

Klindt: Dann ist mein Satz, den ich ja anfangs sagte, dass für mich ein Tag ohne Lachen ein verlorener Tag ist, eigentlich kein schlechter Vergleich.

Dr. Titze: Sie haben völlig Recht.