Bücher
Michael Titze
Lebensziel und Lebensstil
Grundzüge der Teleoanalyse nach Alfred Adler
1979, 333 Seiten
Kt | kartoniert
Verlag J. Pfeiffer, München
ISBN 3-7904-0289-3
Rezension von »Lebensziel und Lebensstil. Grundzüge der Teleoanalyse nach Alfred Adler«. Pfeiffer Verlag, München, 1979, gekürzt.
 
PSYCHOLOGIE HEUTE, Jg. 7, Nr. 5, Mai 1980, S. 76-77

Im vergangenen Jahr sind zwei Bücher des Psychotherapeuten Michael Titze erschienen, in denen die theoretischen Grundlagen und die Behandlungsmethoden der Individualpsychologie voll Alfred Adler dargestellt werden. Der Autor schlägt in Anlehnung an den Adler-Schüler Rudolf Dreikurs für diesen Ansatz die Bezeichnung Teleoanalyse vor, da die Erkenntnis und Veränderung von Zielen, die der Person oft nicht bewusst sind, im Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit steht (vergleiche PSYCHOLOGIE HEUTE 2/77).

Das Buch »Lebensziel und Lebensstil« wendet sich in erster Linie an den Fachmann. Recht ausführlich erläutert Titze die philosophischen Hintergründe der Adlerschen Psychologie, die als ein phänomenologischer und ganzheitlicher Ansatz charakterisiert wird. Psychische Störungen werden auf den Konflikt zwischen dem (unbewussten) »persönlichen Lebensstil« und dem »öffentlichen Lebensstil« zurückgeführt. Während der »persönliche Lebensstil« in der frühesten Kindheit entwickelt wird und auf der Stellungnahme des Kindes zu sich selbst und zu seiner Umwelt beruht, enthält der »öffentliche Lebensstil« die Normen und Forderungen der Umwelt, die das Individuum verinnerlicht hat.

Die Faktoren, die sich auf den persönlichen und den öffentlichen Lebensstil bedeutsam auswirken (zum Beispiel Familienatmosphäre, Position in der Geschwisterreihe, Identifikation mit den Eltern, politische und religiöse Ideologien), werden eingehend besprochen. Der Autor betont besonders, dass auch Konflikte im Bereich des »öffentlichen Lebensstils«, das heißt Konflikte zwischen verschiedenen politischen, religiösen und weltanschaulichen Orientierungen, häufig zu Verunsicherung und Desorientiertheit führen. Wie der Konflikt zwischen verschiedenen Lebensstilen bewältigt wird, hängt vor allem davon ab, ob die Person überwiegend »aktiv-aggressive« oder »passiv-regressive« Formen der Existenzsicherung entwickelt hat.

In dem Kapitel über die Praxis der Teleoanalyse werden dann Methoden zur Lebensstilanalyse und zur Traumdeutung sowie einige therapeutische Techniken beschrieben.

In theoretischer Hinsicht erscheint mir besonders bedeutsam, dass Titze nicht wie Adler versucht, die vielfältigen und oft recht widersprüchlichen Verhaltens- und Erlebnisweisen eines Menschen auf einen einheitlichen Lebensstil zurückzuführen. Er weist vielmehr auf die Konflikte hin, die sich aus den verschiedenartigsten Einstellungen und Wertorientierungen ergeben, die das Individuum in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen sozialen Bezugsgruppen erwirbt. Weiterhin hat Titze in sehr eigenständiger Weise therapeutische Methoden sowohl aus der Kommunikationstherapie von Paul Watzlawick als auch aus der rational-emotiven Therapie von Albert Ellis übernommen und in die Teleoanalyse integriert.

CHRISTOF ESCHENRÖDER