|
Bücher |
|
|
|
Michael Titze |
|
Heilkraft des Humors |
|
Therapeutische Erfahrungen mit Lachen |
|
|
|
|
Verlag Herder
Freiburg, 1985
143 Seiten
Kt | kartoniert
(Herderbücherei 1246)
ISBN 3-451-08246-2
|
|
|
|
Rezensionen |
|
»forum aktuell«, Nr. 1-3, März 1986
Von Manfred Temme |
|
Bisher habe ich einfach nur gelacht, gelächelt oder geschmunzelt, einfach so wie mirs zumute war. Nach Michael Titzes tiefgründigen und doch so herrlich leicht verstehbar geschriebenen Buch weiß ich auch, warum ich schmunzele, lächele, lache; und das wird mir in Zukunft zusätzliches Vergnügen bereiten - weil ich mehr von mir weiß und auch mehr von meinen lieben Mitmenschen. Dazu habe ich noch einige »Humor-Rezepte« entdeckt, die ich künftig ausprobieren werde, denn »Humor ist grundsätzlich erlernbar, will aber auch trainiert werden, wenn er zum festen Bestandteil der eigenen Lebenshaltung werden soll«. Darum sollte gerade derjenige, der glaubt, keinen Humor zu haben - oder doch Schwierigkeiten damit hat -, dieses Buch lesen. So krank wird kaum einer sein, dass er nicht bei manchen »erklärenden« Beispielen sich selbst entdeckend, lauthals loslacht; mit Leib und Seele. Titze beweist, dass der »gehemmte Mensch«, wenn der Humor therapeutisch richtig eingesetzt wird, sich buchstäblich gesund lachen kann. Auch für den Psychotherapeuten ist das Büchlein daher ein Gewinn und mancher, der bisher der klassischen Psychotherapie verhaftet ist, die eine humorvolle Vorgehensweise beim Patienten nicht zulässt, wird sich durch Titze eines besseren überzeugen lassen (müssen). Alfred Adler und Viktor E. Frankl sind übrigens - jeder auf seine Weise - die dort angesprochenen Väter der humoristischen Psychotherapie. Ohne Einschränkung: Ein Buch für Kranke und Gesunde - und Therapeuten.
|
|
|
|
RAI - Sender Bozen, Bücher der Gegenwart, 19.02.1986
Von Dr. Roland Tschrepp
|
|
Eine Fachzeitschrift schrieb, dass der Mitteleuropäer im statistischen Durchschnitt immer weniger lache. Gibt es da einen Zusammenhang mit der ständig steigenden Zahl seelischer Erkrankungen? Ein Band der Herderbücherei lässt das vermuten. Er stammt aus der Feder des Psychotherapeuten Michael Titze, der von seinen Erfahrungen mit der »Heilkraft des Humors« berichtet. Alfred Adler nennt den Humor eine Revolte gegen das Normalitätsprinzip, Viktor Frankl bezeichnet ihn als »Trotzmacht«. In diesem Sinne setzt der Autor die Heilkraft des Humors gegen eine übergewissenhafte Lebenshaltung ein. Er zeigt an vielen Beispielen, wie man einem skrupulösen Perfektionismus ins Gesicht lachen und sich damit vom »Ernst des Lebens« befreiend distanzieren kann. Doch es wäre falsch, das vorliegende Taschenbuch in die therapeutische Schublade einzuordnen. Es zeigt jedem, wie und warum man sich, wie die Redewendung sagt, gesund lachen kann. Man erfährt dabei auch, wie der Mensch, stammesgeschichtlich gesehen, diese Fähigkeit relativ spät gelernt hat und wie sie nun in seinem Ausdrucksrepertoire verankert ist. Wenn einem diese spontane Lebensfreude vergeht, dann ist auch ein Stück Menschlichkeit in Gefahr.
|
|
|
|
Zeitschrift für klinische Psychologie, Heft 3, 1988
Von Rolf Kühn, Singen |
|
Es ist nicht die Absicht dieses ungemein lebendigen, für manchen sicherlich provozierenden kleinen Werkes, nüchtern die Geschichte und Ergebnisse des sich neuetablierenden Wissenschaftszweiges der Gelotologie (Lachforschung) auszubreiten. Diese Informationen nimmt der Leser sozusagen nebenbei auf, denn Titze verbindet die anthropologischen, physiologischen, psychologischen, literarhistorischen, politischen und kulturkritischen Dimensionen des spezifisch humanen Phänomens Lachen stets mit konkreten Falldarstellungen und Therapieanregungen. Mit Hilfe der äußerst facettenreichen Wirklichkeit des Humors in Komik, Witz, Spaß, Ulk, Schabernack, Ironie, Sarkasmus, Zynismus usw. wird ein Menschenbild im Interesse der Psychotherapie verteidigt, das sich zwischen der These von der lebensnotwendigen Aggressivität (im Sinne des »mutigen Herangehens« an die Lebensaufgaben, vgl. S. 132) und dem Ziel des »beglückenden Erlebnisses unbekümmerten Selbstvertrauens« bewegt (S. 116; vgl. S. 53 u. 92). Der Therapeut ist ja zumeist mit Menschen konfrontiert, die »nichts (mehr) zu lachen haben», weil sie »das Lachen verlernten« und »es ihnen verging« - oder eigentlich richtiger: es nie haben lernen können (vgl. S. 34ff., 46ff., 92f.)! Sie kranken an der perfektionistischen Übersteigerung der Ernsthaftigkeit des »Normalitätsprinzips», das den »vernunftgemäßen« Ablauf der Dinge in der Erwachsenenwelt regelt (S.64f.). Deshalb fordert der »ideale« Erwachsene vom ich- und lustorientierten »kleinen Kind« zunächst real und dann »in uns« (Adler) Anpassung in Form von Wohlerzogenheit, Widerspruchslosigkeit oder gar Unterwerfung in Passivität, wodurch ein Gewissen als bloßes »Fehlerbewusstsein« zustande kommt (vgl. S. 39ff., 98ff., 134).
Titze zeigt nun, wie gegen diese Einschränkung primärer Bedürfnisse und die später sehr oft daraus resultierenden unterschiedlichen (neurotischen) Symptome die »Waffe des Humors« eingesetzt werden kann, um grundsätzlich zweierlei zu erreichen. Zum einen die Selbstdistanzierung von den Fiktionen der Hyperrationalität und moralischen Überangepasstheit, indem »entsetzliche« Zwänge und Versagensängste bewusst so weit übersteigert werden, dass sie sich dem Patienten schließlich selbst in ihrer grundsätzlichen »Lächerlichkeit« entlarven. Dieser Anfang ermutigt dann des weiteren dazu,
den »Spieß umzukehren», um nunmehr auch die »erhabenen« Herrschaftsansprüche der kulturellgesellschaftlichen Umwelt als »Kaiser ohne Kleider« zu behandeln (S. 65). Der Gehemmte, der selbst ein Leben lang der »Lächerlichkeit preisgegeben« sein mochte, erfährt so die Möglichkeit, seine bislang »verklemmten« Aggressionen auf nicht zerstörerische Weise freizusetzen (vgl. S. 33, 57ff.). Mit dieser »Ventilfunktion des Humors« (S. 101) wird Titze der unaufhebbaren Zweideutigkeit des Lachens gerecht, das einerseits aggressiven Ursprungs ist (S. 59, 127, u.a.) und dennoch »befreiend« wie situations- und streß-»entspannend« wirkt, wenn es »lausbubenartig« (S. 11, 91f.) angewandt wird, also grob gesprochen: in den kulturell tolerierten Grenzen der unmittelbaren persönlichen Selbstbehauptung (S. 18 u. 70).
Theoriebezogen gesehen, erlaubt daher der Humor eine gewisse Synthese (vgl. S. 12) der Franklschen Ansicht von der »Trotzmacht des Geistes« in der ironisierenden Wahrnehmungsumstellung (Dereflexion) (vgl. S. 27f., 52,102ff., 111, 119f.) mit Adlerschen tiefenpsychologischen Erkenntniselementen wie Minderwertigkeitsgefühl und Überlegenheitsstreben (vgl. S. 12, 33, 37, 140 u. ö.). Das Buch versteht sich deshalb als »Anleitung zum humorvollen Widerspruch, der niemals unversöhnlich oder gar feindselig ist. Denn wenn der humorvolle Mensch 'nein' sagt, tut er dies augenzwinkernd und lachend. Sein Ziel ist die Kooperation wirklich gleichwertiger Menschen, denen die freie Willensentscheidung allemal mehr bedeutet als der Zwang zur passiven Anpassung« (S. 132).
Gewiss wäre es zuviel verlangt, von einer solchen nur skizzenhaft durchscheinenden Synthese eine neue durchbrechende Revolution in der Psychotherapie zu verlangen. Aber Titze kann immerhin darauf aufmerksam machen, dass die Psychotherapie bis vor kurzem noch eine »todernste Sache« war (S. 91 u. 96 f.), obwohl Freud bereits 1905 eine wichtige Abhandlung über den Witz geschrieben hatte. Somit scheint der Ruf nach einer entspannten, ja fröhlichen Psychotherapiesituation unbedingt bedenkenswert. Die Kapitel über den sprichwörtlichen »Galgenhumor« (S. 119ff.) und das ansteigende Witzpotential zu Zeiten von Diktaturen (S. 122 f. u. 127 f.) belegen dabei wohl am besten die psychohygienische Notwendigkeit und große Aktualität einer »humoristiscben Psychotherapie», für deren - eben auch klinische - Praktizierbarkeit das Büchlein eine Vielzahl verblüffender Beispiele liefert.
Das entscheidende Kriterium einer solchen Psychotherapie ist darin zu sehen, dass der Patient selbst zum Gestalter oder Akteur einer Lebenssituation werden soll, in der er sich bisher als passiv Ausgelieferter erfahren hatte. Entsprechend entlässt auch das ganz praxisorientierte Schlusskapitel »Kontra geben« (S. 133ff.) den Leser mit dem Bewusstsein, dass »Mut zur Unvollkommenheit« (vgl. Watzlawick, S. 108f.) und »Situationsbewältigung« sich nicht widersprechen, sondern geradezu ergänzen.
Es lässt sich also folgern: die »Gegensinnigkeit« des Humors, wie sie Plessner nennt (zit. S. 54), ist Vernunft, die sich selbst als Lust erfährt und akzeptiert! Und als »Prinzip des Widerspruchs« wird diese in Humor sich wendende Vernunft blitzhafte Möglichkeit einer »anderen« Welt(-Sicht). Von dieser Hoffnung lebt unserer Meinung nach die »Konfliktbereitschaft« im Widerstand »mit Augenzwinkern« (vgl. S. 131), die Titze zusammen mit der grundsätzlichen Erlernbarkeit des Humors vor allem in seinem Buch einsichtig machen möchte (vgl. S. 142 u. ö.). Deshalb ist dieses Werk trotz seiner Leseleichtigkeit mehr als eine amüsant-unterhaltsame Lektüre für Therapeuten, Patienten und bestimmt auch Erzieher jeder Art. Es ist die notwendige Korrektur sozialer Kommunikationsleitbilder, die bis in das psychotherapeutische Gespräch hinein »Vernünftigkeit« mit ihrer historisch-gesellschaftlich gewordenen Erscheinungsweise verwechseln. Das Kapitel über »Verrücktheit« (S. 87-90) zeigt, wie speziell in der Schizophrenie die »komischen Techniken« der Übertreibung, unlogische Einseitigkeit und Gewissenlosigkeit unbewusst angewandt werden, das heißt im Interesse »privater Impulse« (S. 88), die nicht zu einem sozial akzeptierten Freiheits-Entwurf werden konnten.
Damit berührt Titze die neuesten Forschungen über individuelle und gesellschaftliche Kommunikationsverzerrungen, wie sie sich für die Sprachsemantik und -pragmatik darbieten. Im Potential der »Verrücktheit« eine andere (Lebens-)Weisheit auszumachen, ist ein alter Versuch, wie es das seit jeher geduldete Narren- und Clownwesen belegt (vgl. S. 68f. u. 83 ff.). Wenn sich die Psychotherapie stets diesen Spiegel vorhält, zusammen mit notwendigen Forschungen, kann sie sich nicht in die Gefahr begeben, dass »unter dem Deckmäntelchen des Humors« - so J. A. Bernhardt (zit. S. 91) - »der Therapeut seine eigenen Aggressionen auslebe». Solche Einwände aber verlangen, dass sich die Wende zu einer verheißungsvollen »humoristischen Psychotherapie« noch weitere Grundlagen verschafft, deren Grundbausteine hier - wenn auch nicht bis in alle Einzelheiten schon genutzt - vorliegen. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|