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Herausgegeben von Reinhard Brunner und Michael Titze |
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Wörterbuch der Individualpsychologie (2) |
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2011
608 Seiten
2. Auflage
Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt ISBN 978-3-534-24549-9
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»Bei der Darstellung des größten Teils der Stichwörter wurden nicht nur die Erkenntnisse der Individualpsychologie, sondern auch die anderer tiefenpsychologischer Richtungen und Disziplinen berücksichtigt. Der Leser hat so die Möglichkeit, die zahlreichen Verbindungen der modernen Individualpsychologie zu anderen Humanwissenschaften zu beobachten. Das Wörterbuch wird deshalb nicht nur für die Studierenden der Individualpsychologie, für individualpsychologische Berater und Therapeuten von Bedeutung sein, sondern für alle, die sich mit theoretischen und praktischen Fragen der Tiefenpsychologie, der klinischen Psychologie und der Pädagogik beschäftigen.«
Kalksburger Korrespondenz
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Rezension |
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Nicht an Aktualität verloren, 4. Januar 2012
Von Christoph Müller |
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Was macht in der Fachbuchsparte einen Dauerseller zu einem Dauerseller? Wenn man sich das »Wörterbuch der Individualpsychologie« anschaut, kann man einige Argumente dafür sammeln. Denn das »Wörterbuch der Individualpsychologie« bringt in seinen zahlreichen Artikeln zur Adlerschen Theorie die entscheidenden Momente auf den Punkt. So vermögen die Autorinnen und Autoren auch nach bald zwei Jahrzehnten nicht an Aktualität verloren zu haben. Die Artikel sind kurz und verständlich geschrieben. Sie sprechen die Sprache der therapeutischen Praxis. Und das »Wörterbuch der Individualpsychologie« thematisiert alle notwendigen Begriffe.
In diesen Tagen erlebt das 'Wörterbuch der Individualpsychologie' den Aufstieg zum Olymp, da es in diesen Tagen seine zweite Auflage erlebt und inzwischen wohl auch in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erscheint. Man findet alles, was man zu Adlers Individualpsychologie finden muss. Und noch mehr: man findet viele anschauliche Erklärungsmodelle für Phänomene, die einem im psychiatrischen Alltag begegnen.
Das Schicksal so manchen Wörterbuchs ist, dass es nach dem Kauf einen angestammten Platz im Bücherregal bekommt. Mit dem »Wörterbuch der Individualpsychologie« ist es anders. Man ist geneigt, es immer wieder aus dem Bücherregal herauszuholen, um sich gedankliche Anregungen zu holen bzw. Phänomene erklärbar zu machen, die einem geradezu alltäglich begegnen. Brunner und Titze haben schon vor drei Jahrzehnten (so lange ist die erste Auflage bereits auf dem Markt) Autorinnen und Autoren um sich geschart, die noch heute namhafte Interpreten der Adlerschen Individualpsychologie sind.
Der Artikel »Erstgespräch« wirkt auf den ersten Blick starr. Doch ist der würzige Geschmack des Artikels, den Elsa Andriessens geschrieben hat, im Detail zu schmecken. Schliesslich geht die Autorin darauf ein, dass die Haltung, mit der man dem Gesprächspartner entgegentritt, entscheidend ist. Eine hilfreiche Handreichung ist auch Michael Titzes Beitrag zum »Lebensstil« . Dort schreibt Titze u.a. in starker Anlehnung an Alfred Adler: »Stattdessen ging er nunmehr davon aus, dass ein einheitlicher Begriff von einer Person dadurch zu erreichen sei, dass die verschiedenen Charakterzüge dieser Person verglichen und auf einen Hauptnenner gebracht würde. Das Prinzip der Vereinheitlichung ist die Linie, die einer verfolgt.«
Michael Titze schreibt in seinem Artikel zum »Minderwertigkeitskomplex« : »Im Unterschied zum Minderwertigkeitsgefühl, das nach Adler zum Menschsein gleichsam dazugehört, findet sich der ausgeprägte Minderwertigkeitskomplex bei allen Formen psychischer Erkrankungen.« Oder in der Diskussion des Begriffs »Normalität« schreiben Wolfgang Kretschmer und Michael Titze: »Als psychologisches System hat die Individualpsychologie keinen Anlass und keine Möglichkeit, den Vergleich zwischen krank und gesund herauszuarbeiten. Gelegentlich findet man in der individualpsychologischen Literatur den Ausdruck seelisches Gleichgewicht im Sinne der Ausgeglichenheit zwischen Selbstzuwendung und mitmenschlicher Zuwendung.«
Herrmann Hellgardt thematisiert den Humor in einem Adlerschen Verständnis. Er gibt sich überzeugt, dass der Humor immer auch ein Hinweis zu einem jeden Leben sei. Er beschreibt aber zu Recht: »In welcher Tonart des Humors auch immer, die Ungleichheiten im Endlichen gleichen sich aus der Perspektive des Unendlichen aus, mindestens verlieren sie einen Teil ihrer Bedeutung als Ungleichheit und lassen sich daher ausgeglichener bestimmen.« Mit dem Blick auf die Sexualität schreibt Günter Heisterkamp: »Derzeit werden sexuelle Störungen als Selbstbehinderungen im Dienste der Selbstsicherung angesehen ... Sie haben auch exemplarische Bedeutung für die Behandlung psychischer und psychosomatischer Störungen überhaupt.«
Wer die eigene therapeutische Praxis reflektiert, der weiss, wie schwer dieses Verständnis umzusetzen sein kann. Was die Individualpsychologie Alfred Adlers ausmacht, ist ein abwägendes und ausgleichendes Moment. Wenn beispielsweise der Begriff der »Schwererziehbarkeit« besprochen wird, ist es weder eine schwarze, noch eine rosa Brille, mit der auf diesen Begriff geschaut wird. Wörtlich: »Je mehr Entmutigung das Kind im Laufe seiner psychosozialen Entwicklung - sei es durch verwöhnende oder harte Erziehung, störungsinduzierenden Umgang mit Geschwistern, Versagenserlebnisse in der Schule usw. - erfahren hat, desto mehr profiliert sich seine ichhafte Leitlinie und desto schwerer fällt es ihm, diese Perspektive aufzugeben, eine sachliche Einstellung und gemeinschaftsfördernde Orientierung für sein Handeln zu entwickeln.« Diese ausgleichende Tonart durchzieht das »Wörterbuch der Individualpsychologie« . Dies macht es auch so lesenswert. |
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