artikelmagazin.de, Das Online-Magazin, 23.04.2010
Gelotophobie: Angst vor dem Ausgelachtwerden
Höhe oder Flugangst? Ja, bei diesen Ängsten können einige Menschen mitreden. Aber Angst vor dem Lachen (Gelotophobie)? Ein Lächeln verbindet und ist eine höchst sympathische Art der Kontaktaufnahme - oder nicht?

Für Menschen, die unter Gelotophobie leiden, wird das Lachen der anderen zur Qual. So unschuldig, sympathisch oder aufrichtig das Lächeln des Gegenübers auch sein mag: Die Betroffenen fühlen sich angegriffen, ausgelacht und abgewertet. Dabei reicht es schon, wenn andere nur in der Nähe eines Gelotophobikers lachen.
Während sich die Lachenden harmlos amüsieren, ist ihr Verhalten für Betroffene ein sicheres Indiz dafür, dass sie sich lächerlich gemacht haben. Ein kleiner Trost: Selbst Albert Einstein litt angeblich unter der Angst, sich lächerlich zu machen. Doch ließ er sich von seiner Furcht offensichtlich nicht unterkriegen. Gut zu wissen: Die Angst vor dem Ausgelachtwerden ist kein unabwendbares Schicksal.

Gelotophobie - Ursachen und Symptome
Der Begriff Gelotophobie stammt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus »gelos« (Lachen) und „phobos (Angst). In ihren Ohren klingt selbst harmloses Gelächter bösartig und gefährlich. Und während andere sich in lustiger Gesellschaft entspannen, reagieren Gelotophobiker äußerst nervös, angespannt und mitunter sogar aggressiv.
Gelotophobiker sind mit der Furcht nicht alleine. Psychologen der Universität Zürich fanden im Rahmen einer Umfrage heraus, dass alleine in Deutschland 11 Prozent der Menschen an der Furcht leiden, ausgelacht zu werden.
Die Wurzeln dieser Phobie liegen meist in der Kindheit, so der Tuttlinger Psychotherapeut und Psychoanalytiker Michael Titze. Betroffen sind tendenziell eher »brave« Kinder, denen es in der Pubertät nicht gelang, sich in ausreichendem Maß vom Elternhaus zu emanzipieren. Ihre Folgsamkeit brachte ihnen den ersten Spott der Altersgenossen ein.
Zudem verfügen die Eltern dieser Kinder über eine unlebendige und versteinerte Mimik, sodass das Lachen der anderen zwangsläufig negativ interpretiert werden muss und gar nicht mit angenehmen Gefühlen in Verbindung gebracht wird.

Bitte lächeln - Therapie und Leseempfehlung
Ist nun jeder ein Gelotophobiker, der sich nicht gerne auslachen lässt? Natürlich nicht. Wohl kaum jemand ist gerne der Grund für die Heiterkeitsausbrüche anderer und an manchen Tagen reagiert man einfach übersensibel. Wer jedoch situationsunabhängig jedes Lachen als persönlichen Angriff wertet, sollte diesem Verhalten auf den Grund gehen.
Meist tritt die Angst vor dem Ausgelachtwerden nicht isoliert aus, sondern geht mit weiteren Phobien oder Zwangsstörungen einher. Im Rahmen der Therapie wird ein entspannter Umgang mit dem Lachen angestrebt. Auch soll gelernt werden, zwischen den verschiedenen Arten des Lachens unterscheiden zu können.
Wer sich nicht gleich zu einem Therapeuten begeben möchte, kann sich das gerade erschienene Buch von Michael Titze zu Gemüte führen. Psychotherapeut Titze, der zugleich Vorsitzender von HumorCare Deutschland ist, beleuchtet in seinem Buch »Lachen zwischen Freude und Scham: Eine psychologisch-phänomenologische Analyse zum Verständnis der Gelotophobie« alle Facetten dieser Angst.

Tipp: Wer sich beim nächsten Mal fragt, ob ihn sein Gegenüber eher herzlich anlacht oder doch nur scheinheilig auslacht, findet die Lösung im Mienenspiel des Lächlers. Bei einem echten Lächeln bewegen sich Mundwinkel und Wangen nach oben, zugleich zeigen sich an den Augen kleine Lachfältchen. Die Augenbrauen senken sich leicht und der Blick des Lächelnden wirkt strahlend und offen. Anders das unechte Lächeln. Hier bewegt sich nur die Mundpartie, wohingegen die Augenpartie völlig unbeteiligt bleibt.

Michael Titze und Rolf Kühn: Lachen zwischen Freude und Scham: Eine psychologisch-phänomenologische Analyse zum Verständnis der Gelotophobie. Königshausen & Neumann, 2010. Preis: 24,80 Euro. ISBN-13: 978-3826043284