Wissen57, 7. März 2012
 
Gelotophobie entsteht aus einem Schamgefühl heraus
 
Von Hans Klumbies - Kategorie Psychologie, Wissenschaft
 
 

Es gibt Menschen, für die jedes noch so harmlose Lachen zur Qual wird. Man bezeichnet sie als Gelotophobiker. Sie werden regelmäßig von einer panischen Angst ergriffen, verspottet zu werden. Sie befürchten krankhaft, ausgelacht zu werden. Für sie hört beim Lachen der Spaß auf. Lachen ist für sie keine wohltuende Heiterkeit und trägt auch nicht zur Stärkung ihres Immunsystems bei, sondern eine regelrechte Bedrohung. Der Psychologe Willibald Ruch untersucht mit seinem Wissenschaftlerteam an der Universität Zürich den Humor und die Reaktionen, die er hervorruft. Über die Gelotophobiker sagt er: »Ein Betroffener verglich menschliches Lachen einmal mit dem Gegacker von Hühnern, es war ihm unangenehm. In den Ohren eines anderen klingt es wie ein Maschinengewehr.«


Gelotophobiker wollen dem Gelächter immer ausweichen

Die Psychologen von der Universität Zürich haben zwanzig verschieden Varianten des Lachens aufgenommen und Probanden vorgespielt. Dabei beobachteten sie, das Gelotophobiker kaum zwischen freundlichen und hämischen Lachen unterscheiden können. Selbst ein herzliches Lachen wird von ihnen höchstens als neutral, wenn nicht sogar als negativ bewertet. Willibald Ruch erklärt: »Für die Betroffenen ist das Lachen immer eine Waffe.« Wenn sie dem Gelächter nicht ausweichen können, erröten Gelotophobiker, bekommen Herzrasen oder müssen dringend auf die Toilette.

Geprägt hat den Begriff der Gelotophobie der Tuttlinger Psychologe Michael Titze im Jahr 1995. Abgeleitet hat er das Wort vom griechischen gelos, Lachen, und phobia, Angst. Bei der Behandlung von Angstpatienten aller Art bemerkte er eines Tages, dass bei vielen Patienten, die Angst lächerlich zu wirken, eine große Rolle spielte. Michael Titze erläutert: »Jeder Dritte meiner Patienten sprach unentwegt von seiner Wirkung nach außen und von seinem Image.« Er stellte fest, dass der Angst der Betroffenen stets Erlebnisse vorausgingen, die eine traumatische Wirkung auf sie ausübten.


Michael Titze definiert die Gelotophobie

Die Traumata der Gelotophobiker stammen häufig aus der Kindheit oder Jugend. Michael Titze definiert die Gelotophobie wie folgt: »Es ist die subjektive und irrationale Furcht, in den Augen der anderen lächerlich zu wirken.« Die Scham tritt seiner Meinung nach dann auf, wenn Kinder vermittelt bekommen, dass sie nicht in Ordnung sind, so wie sie sind. Viel Gelotophobiker stammen laut Michael Titze aus Familien, in denen die Familien mit dem Nachwuchs nach außen hin glänzen wollen. Wenn die Kinder den Erwartungen der Eltern nicht entsprechen, werden sie mit Liebesentzug bestraft.

Michael Titze sagt: »Die Anforderung an den Einzelnen, besonders schön oder erfolgreich zu sein, kann ihn leicht überfordern. Wenn es nicht gelingt, das Ideal zu erreichen, kann eine Schamdepression die Folge sein.« Diese kann in unterschiedlichen Formen auftreten, als Fett- oder Magersucht beziehungsweise als Gelotophobie. Michael Titze betont allerdings auch, dass nicht jede Art von Scham und nicht jede Angst vor dem Ausgelachtwerden krankhaft sind. Zur Krankheit wird sie erst, wenn der Mensch von der Angst überwältigt wird und sein gesamtes Handeln danach ausrichtet.