ÄP: Welche Entwicklungen haben dem Lachen die Tür ins doch eher ernste Gebiet der Psychotherapie aufgestoßen?
Titze: Wegbereitend waren die Erfahrungen mit den sogenannten paradoxen Methoden, die inzwischen zum Repertoire vieler therapeutischer Verfahren gehören.
Was kann man darunter verstehen?
Gewisse psychopathologische Symptome hat man als die unbewußte kreative Lösung eines Lebensproblems erkannt. Diese werden vom Psychotherapeuten durchaus positiv bewertet bzw. sogar »verschrieben«. Solche Interventionen wirken nicht nur verblüffend; sie regen in vielen Fällen auch zum heilsamen Lachen an!
Aber therapeutische Paradoxien sind nur ein Aspekt der Humorreaktion.
Der Humor bezieht weitere Aspekte u. a. im Emotionalen mit ein, die insgesamt therapeutisch wirksam sein können: Humor kann dazu verhelfen, Hemmungen aufzulösen und zu einer Entbindung verdrängter Affekte anzuregen. Wenn Therapeut und Klient miteinander lachen, kann es zu einem unmittelbaren, spontanen Austausch menschlicher Gefühle im Erleben von freizügiger Gleichwertigkeit kommen. Die moderne Lachforschung (Gelotologie) hat nachgewiesen, daß Heiterkeit und Lachen eine Vielzahl (neuro-)physiologischer Prozesse anregen, die sich insgesamt positiv bzw. eben heilsam auf den menschlichen Organismus auswirken (z. B. Förderung des Fettstoffwechsels und der Verdauung, Anregung des Herz-Kreislauf-Systems, Stärkung der Immunabwehr, Ausschüttung von luststeigernden Endorphinen).
Sie nannten mehrere Bereiche.
Humor kann weiter über den kognitiven Bereich die Kreativität des Klienten fördern, die Fähigkeit anregen, Probleme zu lösen, so daß er neuartige Zusammenhänge herstellt, Bewertungen relativiert und Entscheidungsprozesse in Gang setzt. Damit fördert der Humor eine explorative Haltung gegenüber scheinbar unumstößlichen, normativ festgeschriebenen Handlungsabläufen.
Nimmt der Patient einen lachenden Therapeuten ernst?
Der Humor stellt ein erfrischendes, entspannendes, originelles und anregendes Kontaktmedium dar. Sofern der Therapeut Humor in einer angemessenen Weise einsetzt, ergibt sich zwanglos ein freundlicher, konstruktiver Umgangston, der zum Entstehen eines positiven Arbeitsbündnisses beiträgt und eine von professionellen Erhabenheitsansprüchen geprägte unpersönliche oder gar verkrampfte Atmosphäre gar nicht erst aufkommen läßt. Der Humor fördert vielmehr Interaktionsweisen, die von Offenheit und Gleichwertigkeit geprägt sind.
Der Humor in der Therapie ist also auch eine Methode, weg vom Problem, hin zur Lösung zu kommen.
Therapeutisch eingesetzter Humor regt einen Prozeß der Selbstbestätigung an, indem er dem Klienten dazu verhilft, die entsprechenden humorvollen Botschaften des Therapeuten von sich aus zu dekodieren bzw. zu verstehen. Dies geht gewöhnlich mit einer Aha-Reaktion einher - als Ausdruck der Empfindung, für ein altes Problem eine neuartige Lösung gefunden zu haben.
|