Nürnberger Nachrichten, 16.06.2004
Der Spaß ist bitterer Ernst
Interview zur Veranstaltungsreihe »Lachen ist gesund«

Von Carolin Gläser
Deutschland versinkt im Jammertal, Humor findet anderswo statt, sollte man meinen. Damit uns das Lachen nicht endgültig vergeht, hat die Evangelische Stadtakademie eine Veranstaltungsreihe zum Thema »Lachen ist gesund« mit renommierten Lachforschern und weiteren Experten in Sachen Humor angesetzt. Zum Auftakt kam Michael Titze (56), promovierter Psychologe, Vorsitzender von »HumorCare Deutschland e.V.« und Autor zahlreicher Veröffentlichungen nach Nürnberg — und erläuterte, wie und warum Lachen zu therapeutischen Zwecken eine ganz ernsthafte Angelegenheit ist.


Herr Titze, wie wollen Sie einem Volk mit einem Hang zur Griesgrämigkeit das Lachen beibringen?

Titze: Lachen ist eine der ältesten menschlichen Kommunikationsformen. In Lachgruppen können wir lernen, bewusst an der Norm vorbei zu blödeln und mit anderen zu lachen. Oftmals wird in der Therapie auch non-verbal und mit Übungen zur Schamüberwindung gearbeitet.

Gibt es in dauerkriselnden Zeiten überhaupt noch etwas zu lachen?

Titze: Nach Untersuchungen lachen die Deutschen viel weniger als in tatsächlichen Notzeiten wie etwa nach dem Zweiten Weltkrieg. In der Medizin spricht man von CES, dem Chronisch-Enttäuschtsein-Syndrom: Nichts ist gut genug, alles soll immer noch besser sein.

Demnach haben die Menschen allmählich keinen Spaß mehr an der Spaßgesellschaft?

Titze: Der grundlegende Wertewandel in der Postmoderne erfordert eine wahnsinnige Anstrengung, gut dazustehen, und trägt dazu bei, dass wir immer mehr Scham-, aber immer weniger Schuldgefühle haben. Wir legen die Messlatte immer höher an, stehen unter enormem Leistungsdruck, wollen perfekt sein, alles kontrollieren und andere ständig überbieten. Der Spaß in der Spaßgesellschaft ist nur ein Etikett; er hat wenig mit Humor, aber viel mit
unserer Lust auf Angst zu tun.

Wie bringen wir mehr Humor in den Alltag?

Titze: Jeder sollte sich weniger Gedanken darüber machen, wie er bei anderen ankommt, und nicht so sehr auf den Effekt zielen. Das bedeutet: Mehr Mut zur Unvollkommenheit zeigen, unsere Anspruchshaltung überprüfen und etwas bescheidener werden - nach dem Motto: »Ich bin gut genug, ich könnte noch viel schlechter sein!« Spontan lachen müssen wir, wenn wir nicht immer nach den Regeln der Logik vorgehen. Gerade das Absurde, Unlogische ist witzig.

Was passiert mit uns, wenn wir herzhaft lachen?

Titze: Die eigentliche Funktion des Humors ist es ja, zu relativieren. Lachen entspannt den Körper und die Seele, beugt Depressionen vor und ist »soziales Schmiermittel«. Es trainiert eine ganze Anzahl von Muskeln, verbessert die Sauerstoffzufuhr, senkt den Blutdruck und stärkt das Immunsystem.

Können auch notorische Miesepeter lachen lernen?

Titze: Es ist schwierig, wenn jemand überhaupt nicht dazu bereit ist. Doch grundsätzlich können wir von den Kindern wieder lachen lernen. Kinder kontrollieren nicht ihr Tun; sie haben keine Angst, sich zu blamieren und machen sich keine Gedanken über die Reaktion ihrer Umwelt.

»HumorCare Deutschland« klingt ein wenig nach einer Vereinigung lustiger Witze-Erzähler ...

Titze: »HumorCare« ist ein Netzwerk und fördert die kompetente und wissenschaftlich fundierte Anwendung von Humor in verschiedenen Bereichen. Wir veranstalten Workshops und Fachkongresse, beraten Menschen in therapeutischen pädagogischen und pflegenden Berufen sowie Firmen. Ein Beispiel sind die »Klinik-Clowns«, die inzwischen fast überall auf Stationen mit schwerkranken Kindern eingesetzt werden. Es gibt auch immer mehr Lachklubs, Lachen als Massenbewegung erlebt einen Aufwärtstrend.


So geht es weiter: Mittwoch, 23. Juni: Vortrag »Das verheißene Lachen«; Montag, 28. Juni: Rundgespräch »Gibt's da was zum Lachen?«, Montag 12. Juli: Vortrag »Humor in der Verkündigung«; Beginn jeweils um 19 Uhr; Seminare und Workshops finden am 3., 10. und 12. Juli statt (Anmeldung erforderlich).
Alle Veranstaltunnen finden im Haus eckstein, Burgstraße 1, statt. Informationen unter Tel. (0911) 214-21 21 oder im Internet www.feb-nuernberg.de sowie unter www.humorcare.com oder www.humor.ch