BERLINER MORGENPOST, 1. April 2000
NACHGEFRAGT:
Humor in der Therapie. Wie lernt man, über sich selbst zu lachen?
Zu den Wegbereitem des therapeutischen Humors in Deutschland gehört der Psychologe Michael Titze aus Tuttlingen, der auch am Alfred Adler Institut in Zürich lehrt. In seinen Therapien setzt er den Humor als Mittel gegen Angstzustände ein.

Unsere Mitarbeiterin Beate Hoffmann sprach mit ihm.

Wie passen Therapie und Humor zusammen?

Wir setzen Humor nicht so ein, wie es die Unterhaltungskünstler tun, sondern als therapeutische Technik, die man lernen kann. Das kann man so auf die Spitze treiben, dass der Angst der Wind aus den Segeln genommen wird. Die Angst davor, im Leben zu scheitern, hat auch immer etwas mit der Furcht zu tun, sich vor den anderen lächerlich zu machen. Folglich bemüht man sich verkrampft um ein angepasstes Erscheinungsbild. Das kann so weit gehen, dass die Lebensfreude eingeschnürt wird und das Lachen im Halse stecken bleibt. Wenn ein Patient eine Angstneurose hat, kann der Therapeut dessen Befürchtungen so weit übertreiben und ins Komische übertragen, bis der Patient zum Lachen gebracht wird.

Sie bringen also Ihre Patienten dazu, über sich selbst zu lachen?

Ja, denn wenn ich mich selbst nicht mehr so ernst nehme, fürchte ich mich nicht mehr davor, negativ beurteilt zu werden. Ein Vorbild für den therapeutischen Humor ist das Kind, das sich keine Gedanken macht, wie es bei anderen ankommt, sondern fröhlich drauflos lebt. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für eine heitere Grundstimmung. Wenn man lacht, obwohl es eigentlich die angespannte Situation nicht erlaubt, dann überschreitet man damit Grenzen und entdeckt die Lust am Komischen. Das hilft vor allem Patienten, die die Dinge zu pingelig sehen und die daraus dann Zwangsvorstellungen oder Versagensängste entwickeln. Diese Menschen sind sehr gestresst, weil sie ständig an Gefahren denken, die möglicherweise auf sie zukommen könnten.

Wie kann Heiterkeit als therapeutisches Mittel Stress abbauen?

Indem ich den Menschen dazu bringe, seine Gedanken, die ihn ängstigen, nicht mehr so ernst zu nehmen, sie zu relativieren. Ich setze den Humor in meiner Praxis gezielt ein, seit ich mit therapeutischen Clowns zusammenarbeite.

Der Clown als Therapeut - wie funktioniert das?

Der Clown ist das Ebenbild eines Menschen, der den Idealen des Erwachsenenlebens nicht entspricht. Er schämt sich aber nicht dafür, sondern hat seinen Spaß daran. Deshalb lieben Kinder den Zirkusclown, weil er nicht perfekt ist und zeigt, dass das Leben nicht so ernst sein muss, wie viele Erwachsene meinen. Ein Patient kann gemeinsam mit dem Clown seine Ängste in der Therapie nachspielen. Viele können dann nach Jahren erstmals über ihr Problem sprechen, weil sie darüber lachen können. Schnelle Hellungserfolge haben wir damit etwa bei Sozialphobien, Sprechängsten oder Stottern erzielt.