Ruhr Nachrichten - Das Wochenendmagazin, 30.12.2006
Es schätzelt gewaltig. Psychologe und Buchautor Michael Titze über die wissenschaftliche Seite des Humors.
Interview: Julia Neumann

Wenn er in Erscheinung tritt, bleibt kein Auge trocken: Horst Schlämmer »schätzelt« sich durchs Land, verteilt Weinbrand-Pralinen und repräsentiert den Beruf des Journalisten auf seine eigene Art. 49 Prozent aller Deutschen können darüber lachen - nur warum eigentlich?

Dr. Michael Titze, Psychologe, Psychotherapeut, Buchautor und Gründungsvorsitzender von HumorCare Deutschland e.V. klärt auf.

Herr Titze, warum lacht der Mensch?
Titze: Manche Verhaltensforscher vermuten, dass das Lachen - wie das Weinen und das Schreien - eine ganz archaische Form der Kommunikation ist. Wer lacht, fühlt sich gut und selbstsicher. Das deuten auch die »gefletschten« Zähne an - ein Hinweis auf durchsetzungsfähige Aggressivität! Dabei erfüllt das Lachen zwei Funktionen: Dem Außenstehenden, Gruppenfremden gegenüber soll es Überlegenheit, Spott, Hohn signalisieren, also ein »Auslachen« sein. Innerhalb der eigenen Bezugsgruppe bringt das Lachen jedoch eine lustvolle Spannungslösung zum Ausdruck.

Was bewirkt das Lachen im Körper?
Titze: Die Atmung wird stark angeregt, so dass es zu einem beschleunigten Austausch von verbrauchter und sauerstoffangereicherter Luft kommt. Dadurch werden u. a. die Verbrennungsvorgänge im Körper gefördert. Der Herzschlag wird zunächst beschleunigt, um sich bald deutlich zu verlangsamen, so dass der Blutdruck gesenkt wird. Insgesamt kommt es zu einer besseren Durchblutung der Muskulatur und Stresshormone werden abgebaut.

Ist Lachen ansteckend?
Titze: Jede Mutter kennt das: Wenn ihr Baby lächelt, »muss« sie zurück lächeln. Das ist ein angeborener Reflex, der die zwischenmenschliche Brücke ganz zwanglos und wie von selbst herstellt. Ein freundliches Lachen wirkt ebenfalls »ansteckend«.

Was passiert bei einem Lachkrampf?
Titze: Das Lachen ist ein Sieg des Körpers über den Verstand, der beim besten Willen passen muss. Im Gegenteil: Je mehr sich der Verstand diesem anarchischen Reflex widersetzt, desto schlimmer wird es. Im echten Lachen wird die lebenslang eingeübte Selbstkontrolle so außer Kraft gesetzt, dass manche Körperfunktionen regelrecht entgleisen können: So können Tränen fließen, und man macht sich gelegentlich sogar in die Hose...

Was ist überhaupt Humor?
Titze: Die eingängigste Definition des Humors stammt von Groucho Marx, dem bekannten amerikanischen Komiker: »Humor is reason gone mad« (»Humor ist Vernunft, die verrückt wurde«.) Das »Verrücken« der Grenzen jener Sphäre, in der sich unser in jeder Hinsicht geregeltes Erwachsenenleben abspielt, ist von grundlegender Bedeutung. Nur in dieser Sphäre sind wir normal - und zwar insofern, als wir genau das denken und tun, was man im Allgemeinen von uns erwartet. Damit ist die Spontaneität natürlich eingeschränkt. Der Humor bricht die normative Begrenzung auf. Er eröffnet uns den Zugang zur ungeregelten Welt des Kindes in uns. In dieser Welt herrscht das kreative Chaos.

Wie oft sollte der Mensch lachen? Welches Maß ist gesund?
Titze: Meine persönliche Empfehlung ist, jede passende Gelegenheit zum Lachen wahrzunehmen.

Kann man sich kaputt lachen?
Titze: Im Gegenteil! Das Lachen ist ein richtiger Gesundbrunnen, denn es setzt Selbstheilungskräfte frei, die wir im normalen Alltagsleben viel zu wenig nutzen.