Reader's Digest, Dezember 2010, S. 10
 
Warum kitzelt es nicht, wenn man sich selber kitzelt?
 
Michael Titze:
 
 
»Um nicht mit einer Fülle von Informationen überlastet zu werden, muss unser Gehirn wichtige von unwichtigen Reizen unterscheiden können und eine Art Prioritätsliste erstellen. Ganz oben auf dieser Liste stehen all die Reize, die potenziell bedrohlich sind - also Berührungen durch Fremdeinwirkung, die unser körperliches Wohlbefinden gefährden könnten. Berührungen, die hingegen von der eigenen Hand herrühren, stehen auf dieser Liste ganz unten - dort wo die existenziell nicht bedrohlichen, harmlosen Stimulierungen rangieren.

Kitzeln wir uns selber, braucht das Kleinhirn (unser motorisches Reaktionszentrum) nicht Alarm zu schlagen! Denn das Großhirn (unser kognitives Reaktionszentrum) interpretiert diesen Berührungsreiz als nicht potenziell bedrohlich und stuft ihn als unwichtig ein. Deshalb spüren wir zum Beispiel die Reibung unserer Kleidung auf der Haut nicht bewusst, jedoch die kleine Stubenfliege, die sich auf unseren Arm setzt, sehr wohl: Dies ist eine uralte Reaktion, die den Menschen vor der Bedrohung durch gefährliche Krabbeltiere wie Spinnen und Skorpione schützen soll.«