BZ: Herr Titze, schaut man sich in der Welt um, dann hat man den Eindruck, es gibt wenig zu lachen.
Titze: Woran machen Sie das denn fest?
BZ: In den Nachrichten liest man von Krieg, von Terror, von Marine Le Pen und Donald Trump.
Titze: Dann bleiben wir mal bei Trump. In einer Therapie würde ich Sie jetzt fragen, ob Ihnen zu dem auch was Erfreuliches einfällt.
BZ: Uff, da müsste ich jetzt lange überlegen.
Titze: Ist Ihnen denn schon mal aufgefallen, was für eine tolle Frisur der hat?
BZ: (lacht) Naja, darüber kann man streiten.
Titze: Da gibt es doch viele in seinem Alter, die gerne eine solche Frisur hätten. Überlegen Sie mal, wie viel Zeit der in die Haarpflege stecken muss. Aber merken Sie etwas? Schon lachen wir zusammen und haben eine Ebene, die uns weg vom eigentlichen Kern des Problems führt. Wir konzentrieren uns auf einen scheinbar völlig nebensächlichen Aspekt, spötteln zusammen und nehmen dem Problem dadurch etwas von seiner bedrückenden Schwere.
BZ: Beim Spotten lacht man aber auf Kosten anderer.
Titze: Richtig! Deshalb mögen die Autokraten dieser Welt auch nicht, wenn man Witze über sie macht, da dadurch ihr Machtanspruch relativiert wird. Der Humor hat ein sehr kämpferisches Potential.
BZ: Aber ist es in Ordnung, Witze auf Kosten anderer zu machen?
Titze: Da geht es um Schadenfreude. Aus der Entwicklungspsychologie weiß man, dass diese bei Kindern zur Stabilisierung des Selbstwerts führt. Kinder lernen aber irgendwann den Unterschied zwischen hämischer Freude, bei der man Witze über Schwächere macht, und der ausgleichenden Schadenfreude. Hier widerfährt dem Stärkeren ein Missgeschick, über das dann gelacht wird. Letzteres ist moralisch eher abgesichert, aber rein psychologisch betrachtet, kann auch die hämische Schadenfreude emotional stabilisieren. In einem Abwärtsvergleich wird klar, dass es andere Menschen gibt, die noch tollpatschiger oder dümmer sind. Und das hilft, etwa bei Depressionen, den Selbstwert zu regulieren.
BZ: Aus therapeutischer Sicht ist Lachen also immer gut?
Titze: Ja, in der Psychotherapie wird die Moral zunächst einmal ausgeklammert. Man fokussiert auf das Emotionale. Wichtig ist aber, dass es nicht zu einer "Anästhesie des Herzens" kommt, wie es Freud einmal formuliert hat, also moralische Verankerungen über Bord geworfen werden. In einer Therapie wäre das unverantwortlich.
BZ: Warum lachen Menschen überhaupt?
Titze: Die Verhaltensforschung geht davon aus, dass Lachen eine ganz archaische Form der Kommunikation ist. Nehmen wir nur ein Baby. Das kann seine Befindlichkeit allein über Weinen und Lachen kommunizieren. Dies scheint in einer frühen Zeit der menschlichen Entwicklung, als unsere Vorfahren noch nicht verbal miteinander in Kontakt treten konnten, eine sehr wichtige Rolle gespielt zu haben. Wurde etwa ein gefährliches Tier erlegt, ließ sich über triumphierendes Lachen die eigene Stärke dokumentieren, die Gruppenidentität wurde gestärkt und Feinden Angst eingejagt.
BZ: Welche Rolle spielt Lachen denn in einer Psychotherapie?
Titze: Das Lachen kann ein wirkungsvolles Therapeutikum sein. Früher konzentrierte sich die Psychotherapie auf die Defizite eines Menschen, die es zu reparieren galt. Heutzutage versucht man eher die Stärken eines Menschen in den Vordergrund zu rücken und ihm bewusst zu machen, dass er viele Fähigkeiten besitzt und das Leben meistern kann.
BZ: Über was lachen Sie denn gerne?
Titze: Ich lache, so wie die meisten Menschen, gerne über Kontraste. Das kann ein Mann im Smoking sein, der Bergwanderschuhe anhat. Das letzte Mal so richtig lachen musste ich bei einem Vortrag. Der Redner lief frei auf der Bühne rum, hatte aber den Hosenladen offen und aus der Hose schaute ein Zipfel seines Hemdes heraus. Nach dem Hinweis einer Zuhörerin bemerkte er sein Missgeschick – und forderte umgehend einen Applaus für die Zuhörerin. Der ganze Saal musste lachen. |