Münchner Merkur, Nr. 45, Montag, 24.02.2020, S. 19
 
Warum Lachen so gesund ist
 
Lachen ist die beste Medizin, heißt es. Doch was bewirkt es eigentlich im Körper?
Und: Darf man auch mit Schwerkranken lachen? »Unbedingt«, sagt Lachexperte und Psychotherapeut Dr. Michael Titze.
Hier verrät er, wie sich die heilsame Kraft des Lachens nutzen lässt.
VON ANDREA EPPNER
 
 

Schmerzfrei und gesund werden – das war der größte Wunsch Norman Cousins, eines US-Journalisten der 70er-Jahre. Er litt an einer schweren, entzündlichen Erkrankung der Knochen, die sich nicht heilen ließ. Nichts half – bis Cousins sich eine »Lachkur« verordnete: »Er hat sich, teils mit Freunden, lustige Filme angeschaut«, sagt Dr. Michael Titze, Psychotherapeut aus Tuttlingen. »Dabei hat er so laut gelacht, dass er des Krankenhauses verwiesen wurde. Aber nach zehn Minuten Lachen war er einige Stunden schmerzfrei.« Cousins setzte die Kur in einem Hotel fort und wurde wieder gesund. Sein Fall begründete die »Gelotologie«, die Wissenschaft vom Lachen. Anfangs belächelt gelte das heilsame Lachen heute längst als ernsthafte Therapie, sagt Titze. Er selbst erforscht dessen heilsame Wirkung seit Jahrzehnten – und hat vor rund 20 Jahren einen Verein gegründet, der seinen Einsatz fördern soll »HumorCare e. V.«: Hier erklärt er, was Lachen so gesund macht.

Was passiert beim Lachen im Körper?
Eine ganze Menge: Wer lacht, atmet schneller und auch tiefer. Sauerstoffarme Luft wird drei bis vier Mal schneller durch frische, sauerstoffreiche Luft ausgetauscht. Auch das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt. So kommt der Kreislauf richtig in Schwung, alle Organe werden besser durchblutet. Das Gehirnbekommt sogar regelrecht eine »Sauerstoffdusche« ab, wie es Titze nennt. Wer lacht, wird dadurch aufmerksamer und wacher. Stoffwechselvorgänge in den Zellen laufen schneller. Das ist besonders positiv für den Fettstoffwechsel. Beim Lachen werden zudem unzählige Muskeln aktiv: Brustmuskeln und Zwerchfell ziehen sich zusammen und entspannen sich, immer wieder. Dieses »Hüpfen« des Zwerchfells bewirkt eine Art Massage für die inneren Organe, aber auch für den Darm – so kommt die Verdauung in Schwung. Lachen aktiviert aber auch Muskeln, die wir nicht bewusst steuern können. So weiten sich zum Beispiel die Bronchien. Das schnelle, stoßweise Ausatmen presst fast die komplette Luft aus der Lunge. Ähnlich wie beim Husten befreit es die oberen Atemwege zudem von Schleim und damit auch von Schmutz.

Hoher Blutdruck? Das klingt aber nicht gesund ...
Im Gegenteil! Der Blutdruck steigt zwar erst, sinkt danach aber deutlich ab – und bleibt dann auch auf einem niedrigen Niveau. Nach längerem, kräftigen Lachen sind die Muskeln zudem maximal entspannt. Nicht umsonst heißt es »schlapp« gelacht. Dieses Gefühl der Entspannung breitet sich im ganzen Körper aus. Stresshormone werden abgebaut. Der Körper setzt dafür Endorphine frei. Diese Botenstoffe wirken schmerzlindernd und erzeugen einen euphorischen Zustand – ähnlich wie das »Runner’s High«, von dem manche Marathonläufer berichten. Nur: Dieses Hochgefühl lässt sich durch Lachen deutlich schneller und weniger mühsam erreichen. »20 Sekunden Lachen entsprechen der körperlichen Leistung von drei Minuten schnellem Rudern oder Laufen«, stellte hierzu einst William F. Fry fest, Pionier der »Gelotologie«. Titze sagt: »Zehn Minuten Lachen wirken so erfrischend wie 45 Minuten Entspannungstraining.« Es stärke unser Immunsystem: Die Zahl der Abwehrzellen und bestimmter Antikörper sowie die Konzentration des immunstimulierenden Botenstoffes »Gamma-Interferon« steigt.

Lachen wirkt also auch positiv auf die Psyche?
Ja. Titze erklärt das so: »Lachen ist ein soziales Schmiermittel. Wer viel lacht oder lächelt, kommt besser an – und baut zwischenmenschliche Brücken.« Denn: Lachen ist nicht nur der Redensart nach »ansteckend«. Die »Spiegelneuronen«, also bestimmte Nervenzellen im Gehirn, bringen uns dazu, Verhalten anderer nachzuahmen. Denn das stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Die Wirkung kennt man vom Gähnen: Fängt einer an, spürt man bald selbst den Drang zu gähnen. Beim Lachen ist es genauso: Lacht jemand los, fällt es anderen sogar häufig schwer, nicht mitzulachen – selbst dann, wenn es gerade fürchterlich unpassend erscheint. Diese ansteckende Wirkung lasse sich in der Psychotherapie nutzen, sagt Titze. Lächelt der Therapeut freundlich oder macht einen Witz, ist das Eis bald gebrochen – und damit die Basis für eine erfolgreiche Behandlung gelegt.
Kann Lachen Pillen ersetzen oder einsparen? Tatsächlich war genau das die Idee eines indischen Arztes: Dr. Madan Kataria arbeitete in den Armenvierteln Mumbais. Da sich dort kaum jemand Medikamente leisten konnte, suchte er nach kostenlosen Alternativen – und entwickelte in den 90er-Jahren das »Lach-Yoga«, das inzwischen zu einer weltweiten Bewegung geworden ist. Dabei treffen sich Menschen regelmäßig zum gemeinsamen Lachen in der Gruppe: Ausgelöst durch einfache, standardisierte Übungen fangen einzelne Teilnehmer an zu lachen, stecken andere damit an – bis schließlich alle lachen.
Ist die Wirkung abhängig von der »Lachdosis«? Dauer und Intensität sind sogar ganz entscheidend. Seine volle Wirkung entfalte das Lachen erst, wenn es länger anhält, also wenigstens zehn bis 15 Minuten am Stück. Es reiche also nicht, ins Kabarett zu gehen, wo man immer mal wieder kurz lache, erklärt Titze – und rät daher sehr zum Lach-Yoga (siehe Kasten). »Auch depressive und vereinsamte Menschen können über den ansteckenden Effekt dazu gebracht werden, ihre physiologischen und psychologischen Ressourcen zu wecken«, sagt der Experte.

Hilft Lachen auch Schwerkranken?
Ja, auch wenn Lachen natürlich keine Tumore zum Verschwinden bringt, federe Humor und Lachen »Schicksalsschläge in ihrer Bedeutung« ab. Gelingt es, Kranke zum Lachen zu bringen, löst das Ängste und Spannungen und hellt die Stimmung auf – und das wiederum unterstützt die Genesung. Darum besuchen in vielen Kliniken auch Clowns schwer kranke Menschen. Sie nehmen der Situation viel von ihrer Schwere. Experte Titze warnt sogar vor übertriebenem Ernst im Umgang mit Kranken, die nicht mehr lang zu leben haben. Wer ihnen nur noch »mit versteinertem Gesicht« gegenübersitze, würde ihnen damit ständig den Ernst ihrer Lage spiegeln und so verhindern, dass noch einmal positive Gefühle aufkommen. Umgekehrt könne man aber mit Selbstironie und positiver Psychologie persönliche Ressourcen wachrufen – »bis zum letzten Augenblick«.