SDR 1 - S2-Eckpunkt, 12.05.1993
Lachen oder Leiden - Die heilende Kraft des Humors
Von Gisela von Krogh
Wer psychische Schmerzen überwinden will, muss sie zunächst annehmen, und das heißt, richtig und ganz tief in sie einsteigen. Das behaupten seit Jahrzehnten Psychotherapeuten. Dass es auch anders gehen kann, dass man psychische Schmerzen weglachen, anstatt wegleiden kann, ist die These dieser Sendung.

Es war einmal ein Mann, der hatte einen Schwamm.
Der Schwamm war ihm zu nass, da ging er auf die Gass.
Die Gass war ihm zu kalt, da ging er in den Wald.
Der Wald war ihm zu grün, da zog er nach Berlin.
Berlin war ihm zu groß, da schiss er in die Hos'.
Die Hos' war ihm zu klein, da ging er wieder heim.


Zu nass, zu kalt, zu grün, zu groß; Menschen ist nichts recht und kann nichts recht gemacht werden. Solange es sich bei ihnen aber um simple Nörgler handelt, muss man sich nicht um sie sorgen. Denn solche Dauerkritikanten landen immer wieder auch daheim, d. h. bei heimeligen Stimmungen und Zufriedenheit mit sich selbst.

Die anderen »Zu-Menschen«, die ihr ganzes Leben zu schwer finden und sich mehr und mehr auch von den Kräften entfernen, die sie in leichtere, gar beschwingte Seelenlagen zurückholen könnten, die brauchen Hilfe und sollten diese tunlichst nicht nur vom lieben Gott erwarten, denn der scheint durchaus ein gutes Verhältnis zum Schabernack zu haben, ohne dass die leidende Seele das so bemerkt.

»Es war einmal ein Mann, dem alles im Leben misslang. Irgendwann entschloss er sich seinem Elend ein Ende zu setzen. Er fuhr mit seinem Auto auf einen hohen Berg, parkte direkt vor einem steilen Abgrund, in dessen Tiefe er sich stürzen wollte. Doch ehe er diese schreckliche Tat ausführte, wollte er seinen Frieden mit seinem Schöpfer schließen. Er fiel auf die Knie, erhob die Augen zum Himmel und hob an zu beten: 'Lieber Gott, verzeihe mir das, was ich jetzt tun werde. Aber ich halte es einfach nicht mehr länger aus. Es ist zuviel gewesen, und ich habe nun keine Kraft mehr!' Wie er diese Worte sprach, kamen einige Vögel angeflogen, die etwas fallen ließen, was ihm geradewegs auf den Kopf fiel. Der Mann erhob darauf sein Haupt gen Himmel und klagte: 'Gott, nun siehst du, was ich meine. Für andere Leute singen sie.'«

Wäre dieser Mann in der Lage, sich selbst zu beobachten und hätte er sich, als sein eigener Zuschauer, auch nur ein Fünkchen Humor bewahrt, dann wäre er angesichts dieser Jammergestalt mit dem Vogelschiss auf dem Kopf vermutlich in Gelächter ausgebrochen. Aber dazu ist er nicht in der Lage. Menschen, die ihre Lebenssituation als so aussichtslos empfinden wie er, haben verlernt, der Angst ins Gesicht zu sehen, geschweige denn, ihr ins Gesicht zu lachen.
Psychotherapeuten, zu denen der eine oder die andere unter ihnen, kurz vor dem Abgrund, doch noch ihren Weg findet, stehen ihren Patienten in Sachen Humorlosigkeit und Problemwälzerei in der Regel in nichts nach - in der Regel, die von Ausnahmen bekanntlich bestätigt wird. Der Wiener Psychiater Viktor Frankl hat schon vor geraumer Zeit die ehrwürdige Tradition gebrochen, Psychotherapie als eine unbedingt todernste Sache zu betreiben.
Er schwört auf die Trotzmacht des Humors. Seine Maxime lautet: Alle Menschen, auch die Behinderten und Benachteiligten, die Gestörten und Geplagten, können ihr eigenes Leben, mit allen inneren und äußeren Widrigkeiten bewältigen, wenn sie nur die Überzeugung gewinnen, dass, wie auch der Volksmund sagt, Lachen die beste Medizin ist. Besonders das Lachen über sich selbst. Frankl hat Schüler gefunden. Längst hat er sie in Amerika, wo man dem Lachen auch körperliche Heilkraft attestiert, weil es die Chemie beeinflusst. Aber auch in Europa und insbesondere in Deutschland. Einen seiner Anhänger, Dr. Michael Titze in Tuttlingen, habe ich gefragt, was es mit dem Humor in der Psychotherapie auf sich habe. Er erzählt und berichtet und untermauert seine Worte aus der eigenen Arbeit und Zitaten anderer Humortherapeuten. Zwei Stunden lang. Steigen wir mitten hinein in das Gespräch ...

Michael Titze: »Es geht in der Psychotherapie doch letztendlich darum, das Kind in uns, oder uns selber, wie wir als Kinder gewesen sind vor oft langer Zeit und wie wir im Kern eigentlich immer noch sind, zu erkennen, und zwar nicht nur über den Kopf, sondern sehr viel direkter, unmittelbarer.«

Gisela von Krogh: »Sie haben sich, ich finde zurecht, bisher gewehrt über Techniken zu sprechen. Das ist ja auch etwas sehr heikles im Bereich der psychischen Betreuung oder psychischen Arbeit. Und dennoch fielen schon Wörter wie Lachübung und Sie haben gesagt, ich muss dafür sorgen, dass ich diesem Menschen, der bei mir sitzt, vermitteln kann, dass ich weiß, dass er im Grunde seiner Seele für mich liebenswert ist und das heißt auch für ihn selbst. Und den Kern, in dem das steckt, dieses Liebenswerte, den muss ich irgendwie wieder mobilisieren. Da frag ich dann doch, wie machen Sie das? Wie geht denn das?«

Michael Titze: »Die Antwort ist verblüffend, aber eigentlich sehr logisch. Wenn Sie sich vorstellen, wann Kinder am meisten lachen, dann ist es doch dann, wenn sie nicht mit einem Erwachsenen zusammen sind, zu zweit, sondern wenn sie in einer Gruppe von Gleichaltrigen sind. Und deswegen werden diese Techniken, von denen Sie jetzt gesprochen haben, auch vorwiegend in Gruppen angewandt. Diese Lachgruppen sind etwas so Beeindruckendes und auch Ermutigendes, dass ich Ihnen gerne etwas darüber erzählen will. Gerne auch darüber, wie eine derartige Lachgruppe beginnt. Zunächst ist es so, dass zumeist Menschen mit typischen Zivilisationsproblemen sich einer Lachgruppe anschließen. Also Menschen, die gelernt haben, sehr ernst zu sein, sich zu kontrollieren, sich in small-talk zu üben, Rücksicht auf andere zu nehmen und alles zu tun, was wir als das »doppelte Denken« bezeichnen. (Ich denke mir, was denken sich die anderen über mich, wenn ich nicht unterhaltsam bin, wenn ich nicht immer voll arbeitsfähig bin, wenn ich nicht genussfähig bin, wenn ich nicht liebesfähig bin, kurzum, wenn ich etwas mache, was nicht erlaubt ist, was komisch ist, was peinlich ist.) Gerade Menschen, die unter diesem Zwang des doppelten Denkens stehen, profitieren von Gruppen kommen, in denen es darum geht - so wird es zumeist angekündigt -, mehr Lebensfreude zu entwickeln und sich kreativer entfalten zu können.«

Ein Mann leidet seit Jahren unter psychogener Harnverhaltung sobald er versucht in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt in Gegenwart anderer zu urinieren. Ihm ist durchaus bewusst, dass es sein doppeltes Denken, also das Denken, was die anderen über ihn denken ist, das den Stress seiner Erwartungsangst erzeugt und ihn vor der fürchterlichen Peinlichkeit des Nichtkönnens erschauern lässt. Der Therapeut fragt: »Welche Gedanken fürchten Sie besonders bei den Zeugen Ihres angeblichen Nichtkönnens?« Antwort: »Vielleicht, dass man denken könnte, ich sei krank. Prostata oder so.« »Wäre das die schlimmste Peinlichkeit?« Antwort: »Eigentlich nicht.« »Dann überlegen Sie. Was könnte die allerschlimmste Peinlichkeit sein?« Nach einigem Überlegen: »Dass die anderen denken, ich sei vielleicht homosexuell, ich müsste gar nicht pinkeln und würde mich nur so stundenlang auf dem Klo aufhalten.« »Und das wäre nur für Sie peinlich?« Antwort: »Nein, auch für die anderen.« »Warum?« »Weil die denken könnten, ich will was von ihnen. Ich könnte sie am Ende belästigen.« Und nun kommt die entscheidende Intervention des Therapeuten. »Jemand, der so etwas tut, ist der schwach und ängstlich oder ganz im Gegenteil stark und aggressiv?« Auf diese Frage gibt der Mann zunächst keine Antwort. Er überlegt. Sein Gesicht verzieht sich zu einem leichten Grinsen als er erwidert: »Aber ich bin doch nicht homosexuell.« »Aber vielleicht ein Kämpfer ohne es zu wissen. Wenn ja, haben Sie sich eine herrlich raffinierte Methode zugelegt andere in Peinlichkeit zu versetzen. Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie beim nächsten Mal, wenn Sie ein Pissoir betreten, sich ganz bewusst so verhalten, als wären Sie ein Homosexueller, der gar nicht muss?« Diese Vorstellung setzte der Mann recht bald in die Tat um. Und zwar auf der Toilette an seinem Arbeitsplatz, wo es zu einer zufälligen Begegnung mit einem wenig geliebten Kollegen kam. Laut lachend berichtete der Mann, wie er bei dieser Gelegenheit lasziv gesagt habe: »Hallo Bruder, fällt es dir auch so schwer zu pinkeln?« Der andere habe ihn darauf angebrüllt, jetzt könne er nicht mehr, worauf er schimpfend das stille Örtchen verlassen habe.

Michael Titze: »Lachtherapeuten oder Humortherapeuten, die so etwas machen, arrangieren etwas. Zum Beispiel wird sich der Gruppenleiter hinstellen und wird eine Art von Parodie zelebrieren. Er wird sich so geben, wie jeder dieser Menschen es niemals tun würde, weil es nämlich sehr peinlich wäre. Also zum Beispiel verkrampft dastehen. Wenn es geht, zittern und stottern, auch rot werden, auch das lässt sich arrangieren, wenn man sich zum Beispiel auf einem Tisch stark aufstützt. Dann, mit allen Äußerungen von Verlegenheit und Verkrampftheit eine Ansprache halten, die zum Beispiel so lauten kann: 'Ich freue mich, dass Sie alle hier erschienen sind und dass wir locker und frei hier zusammensitzen und das Leben genießen wollen.'
Wenn Sie jetzt erwarten, dass die Leute in Lachen ausbrechen, dann haben Sie sich getäuscht. Es ist so, dass die meisten erstarren, obwohl sie wissen, dass es eigentlich um Humor geht. Sie verspüren nämlich Mitleid mit jemandem, der sich etwas leistet, was in unserer Gesellschaft als eine schlimme Schwäche angesehen wird, die man unbedingt verbergen, überspielen muss. Wenn sich dieses Spiel aber weiter entfaltet, vielleicht 10 Minuten dauert, und der Gruppenleiter es kaum noch schafft ernst zu bleiben, fangen dann die Teilnehmer an frenetisch zu lachen: Es geschieht etwas, das wie ein Vulkanausbruch erscheint, nämlich ein frei werden von einer Schamangst, die oft Jahrzehnte gedauert hat und die eben nur möglich ist, weil die Erkenntnis Raum gewinnt, das bin ich nicht wirklich, es ist nur ein Spiel ...
Aber auch das ist nur ein Spiel: Der krampfhafte Versuch, ein perfekter Unterhalter zu sein, ein perfekter Sprecher, jemand, der seine Gesichtshaut perfekt in einem ganz bestimmten Ton halten kann, also nicht zu sehr rot oder zu bleich werden lässt, jemand, der seine Extremitäten kontrollieren kann, dass sie nicht zittern, sondern dass sie in einer ganz bestimmten Position locker runterhängen usw.«

Frau N., eine 48-jährige Patientin, litt an Zittern, und zwar in dem Maße, dass sie außerstande war eine Schale Kaffee oder ein Glas Wasser zu halten, ohne etwas zu verschütten. Auch konnte sie weder schreiben noch ein Buch ruhig genug halten, um lesen zu können. Eines morgens ergab es sich, dass wir einander allein gegenüber saßen und sie wieder einmal zu zittern begann. Daraufhin beschloss ich einmal die paradoxe Intention zu versuchen.
So begann ich denn: »Wie wär's Frau N., wenn wir einmal ein Wettzittern veranstalten?« Sie: »Was soll das heißen?« Ich: »Wir wollen einmal sehen, wer schneller und wer länger zittern kann.« Sie: »Ich hab nicht gewusst, dass Sie ebenfalls an Zittern leiden.« Ich: »Nein, nein, keineswegs. Wenn ich aber will, dann kann ich zittern.« Und ich begann, und wie! Sie: »Jööö, Sie können es ja schneller als ich!« Und lächelnd begann sie ihr Zittern zu beschleunigen. Ich: »Schneller! Los Frau N., Sie müssen viel schneller zittern!« Sie: »Ach ich kann ja nicht, hören Sie auf, ich kann nicht mehr weiter!« Und sie war wirklich müde geworden. Sie stand auf, ging in die Küche und kam zurück mit einer Schale Kaffee. Und sie trank sie aus ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten. Wann immer ich sie seither beim zittern ertappe brauche ich bloß zu sagen: »Nun Frau N., wie wär's mit einem Wettzittern?« Woraufhin sie zu sagen pflegt: »Schon recht, schon recht.« Und das hat noch jedes Mal geholfen.

Michael Titze: »Wie es dann weitergeht? Es ist so, dass dann jeder einzelne aufgefordert wird, die Situation, die für diesen Menschen die peinlichste sein könnte, die er oder sie sich überhaupt vorstellen kann, oft Situationen aus der Kindheit oder auch erst vor kurzem, diese Situation umzusetzen. Und zwar so umzusetzen, und das ist sehr wichtig, dass noch zusätzlich etwas Peinliches dazugetan wird. Das ist genau das, was Viktor Frankl schon vor vielen Jahrzehnten als paradox bezeichnet hat und im Rahmen seiner Technik der paradoxen Intention behandelt hat. Im wesentlichen läuft diese Technik auf nichts anderes hinaus, als dass ein Mensch versucht, genau das, wovor er oder sie immer so Angst gehabt hat, was all die Jahre zurückgehalten, bemäntelt, verborgen wurde, so zu übertreiben, dass es dann dem Lächerlichen preisgegeben wird.«

Jemand, der Angst vor dem Stottern hat, soll in einem Laden möglichst umständlich und möglichst stark stotternd um einen Preisnachlass bitten. Einige Teilnehmer aus der Gruppe halten sich als Beobachter im Hintergrund auf, um später bezeugen zu können, wie gut der Betreffende tatsächlich gestottert hat.
Jemand, der unter Schüchternheit leidet, soll z.B. vom Fahrgastsitz in der Straßenbahn die Haltestellen ausrufen, oder in einem Hallenbad mit einem Stoß Zeitungen herumgehen und diese solange zum Verkauf ausrufen, bis der Bademeister ihn abführt. Auch in diesem Fall sind Beobachter aus der Gruppe da.
Jemand, der unter Platzangst leidet, soll sich für einige Minuten auf einem belebten Platz auf den Boden legen und sich dabei ein eigens mitgebrachtes Kissen unter den Kopf tun. Ähnliches lässt sich auch in einem Kaufhaus machen. Etwa in der Teppichabteilung wo es besonders bequem ist.

Gisela von Krogh: »Aber, da muss ich mal dazwischenfragen, wie schafft er das denn? Jetzt hat er jahrelang, vielleicht jahrzehntelang versucht es zu verhindern, dass ihm das passiert. Es ist ihm wirklich passiert, dass er sich so Blößen geben muss und sich zeigt in seiner ganzen Unvollkommenheit. Und da in der Gruppe kann er das nicht nur zeigen, sondern so schrecklich übertreiben, dass es ihn in seiner normalen Situation wahrscheinlich umbringen würde oder ihn wirklich unglaublich treffen würde.«

Michael Titze: »Das geht deswegen weil es ein Spiel ist. Die Spielregel ist die, dass mit umgekehrten Vorzeichen genau das gemacht wurde, was bisher anders herum versucht wurde. Es wird also jetzt das versucht, was jahrelang zurückgehalten wurde. Und das macht ungeheuren Spaß. Es ist ein Spiel, in dem eigentlich niemand verlieren kann, außer derjenige, der bei diesem Spiel nicht mitmacht. Und so etwas führt den Menschen unmittelbar heran an die Ressourcen dieses lustigen Kindes in ihm, das zu etwas aufgelegt ist, was man natürlich auch als kindisch bezeichnen kann. Aber lassen wir mal diesen tendenziösen Ausdruck weg. Um was es geht, ist die ursprüngliche Spiellust des Kindes. Also die Fähigkeit, die anderen durch Albernheit, durch Blödelei zum Lachen zu bringen. Denn das Alberne und das, was wir als Blödeln bezeichnen, ist ja auch schon wieder eine Begrifflichkeit, wie sie in der Erwachsenenwelt verstanden wird. Für ein Kind ist das etwas völlig anderes. Es ist der Versuch, eine Lebensfreude zum Ausdruck zu bringen, indem vieles von dem, was z.B. die Eltern oder die Lehrer, also die Erwachsenenwelt, verboten haben, genüsslich gespielt, ausgespielt wird und dadurch eben auch so was wie Autonomie erlebt wird. Autonomie in dem Sinn, dass ich erlebe, dass ich frei bin von den Vorschriften, die Angst machen. Nämlich die Vorschriften, man darf in der Kirche nicht lachen. Man darf bei einer Beerdigung nicht lachen. Man darf in der Öffentlichkeit nicht zu laut sein. Man darf z.B. nicht bestimmte Kraftausdrücke verwenden.
Wenn wir uns vor Augen führen, was Kindern sehr viel Spaß macht, das sind also oft unschickliche Ausdrücke, 'schmutzige Wörter', die im Rahmen einer guten Erziehung verboten sind. Es ist erstaunlich, wie viel an ursprünglicher Erlebnisfähigkeit, die sich auf die unmittelbare Körperlichkeit bezieht, z. B. in den 'verbotenen' Abzählreimen und Versen von Straßenkindern enthalten ist.«

Maler Maler Malermeister, Scheißkopp heißt er,
übers Gitter, hat 'nen Splitter, weiß nicht wo, im Popo.

Hans mein Sohn, was machst du da?
Paps ich onaniere.
Hans mein Sohn, das darfst du nicht!
Papa ich probiere.

Oma und Opa saßen auf dem Sofa.
Opa lässt einen fliegen, Oma muss ihn kriegen.
Opa pisst ins Ofenloch, Oma denkt, der Kaffee kocht.
Der Kutscher auf dem Bock, scheißt vor Lachen in den Rock.
Die Dame in dem Wagen, kann das Stinken nicht vertragen.

Auf dem Berge Sinai, wohnt der Schneider Kikeriki.
Seine Frau, die alte Lerche, geht des Sonntags in die Kerche.
Hockt sich auf die letzte Bank, lässt einen Furz, drei Meter lang.

Der Seefisch ist ein nützlich Tier und kommt in vielen Meeren für.
Doch nirgends schätzt man Seefisch so, wie Kabeljau beim Eskimo.

Wenn das Eis schmilzt, wenn der Fuß pilzt,
wenn es riecht von den Aborten, dann wird's Frühling allerorten.


Michael Titze: »Es ist immer auch ein Stück Aggressivität drin, meistens gewendet gegen Eltern oder Lehrer. Aber es ist immer eine sehr deftige Sprache. Eine Sprache, die auch den Erwachsenen zum Lachen bringen könnte - ja, wenn er nur in der richtigen Umgebung ist. Also wenn Menschen bei einer Party zusammen sind, dann werden sie vielleicht auch manchmal tendenziöse Witze verwenden. Aber das ist das, was Kindern immer Spaß macht. Wenn man in einer solchen Lachgruppe immer wieder einige von Kindern geschaffenen Verse vorliest, dann merkt man, wie schnell die Menschen anfangen in dieser verbotenen Sprache zu fühlen und zu empfinden, und sich auf etwas einzulassen, was eigentlich nicht schlimm ist, was mit dem zusammenhängt, was ein Mensch tagtäglich erlebt und was für jeden im Privatbereich selbstverständlich ist. Was aber gesellschaftlich gesehen als etwas Verbotenes angesehen wird. Diese Fähigkeit, sich auf das gesellschaftlich Verbotene einlassen zu dürfen, in einem natürlich so definierten Rahmen, ist auch eine Technik, um die Humorreaktion, das Lachen, auszulösen.«

Gisela von Krogh: »Diese Situation kann ich mir sehr gut vorstellen. Es ist ja auch unheimlich ansteckend, das Lachen. Wenn in einer Gruppe so etwas passiert, jemand lacht los, dann fällt es den anderen ja sicherlich auch leichter mit einzustimmen in dieses Lachen, als wenn sie allein sind. Aber heißt das nicht auch, ein bisschen jedenfalls, dass sie sich und ihre Vergangenheit auslachen, in dieser Gruppe? Denn die Menschen haben ja nicht ohne einen Grund sich selbst so zugemacht, und eventuell Symptome entwickelt, die sehr hinderlich sind. Diese Symptome haben ja in der Regel auch eine Schutzfunktion, um den Menschen nicht preiszugeben, wovor er sich fürchtet. Und wenn er nun in so einer Lachgruppe sich selbst veralbert und über sich selbst lachen kann, ist das nicht auch etwas ein bisschen Destruktives, was seine Vergangenheit in ein ganz schwieriges Licht stellt? Ich war so blöde diese ganzen Jahre, dass ich mich so verkrampft benommen hab'. Das wäre doch alles gar nicht nötig gewesen. Ist da nicht auch etwas dran, was die Leute im Nachhinein noch unglücklich machen kann über das, was sie gebraucht haben lange Jahre?«

Michael Titze: »Es geht ja nicht darum, dass diese Menschen sich selbst veralbern, sondern es geht darum, dass sie den Teil in sich auf den Arm nehmen, der mit ihrem reglementierten Erwachsenendasein zusammenhängt.
Oft ist es so, dass Menschen, die sich sehr für Humor interessieren, solche sind, die weder eine richtige Trotzphase gehabt haben als Kleinkinder, noch und das ist sehr wichtig, das ist fast schon eine Regel, noch in der Pubertät opponiert haben. Diese Menschen sind eigentlich immer liebe Kinder gewesen, und sie waren angepasst. Sie haben also sehr früh das übernommen, was man als Erwachsenen-Ich bezeichnet hat. All diese Konventionen, diese Rollen und diese Selbstdisziplinierungen, die mit dem zusammenhängen, was uns in der Erwachsenenwelt Vorteile bringen. So ist es also eher umgekehrt, wenn Menschen in diesen Gruppen in der Lage sind, das auf den Kopf zu stellen, was sie in all den Jahren in einer einseitigen Weise verabsolutiert haben. Dann ist es ein Gefühl von Befreiung, und dann merken sie, da ist doch auch bei mir eigentlich diese Befähigung vorhanden, die ich bei anderen so bewundert habe, aber die mir anscheinend abgegangen ist: nämlich auch etwas zu tun, was nicht unbedingt nur den Vorschriften entspricht. Denn die meisten Menschen, die verlernt haben zu lachen, haben auch verlernt in einem positiven Sinne aggressiv zu sein. 'Aggressiv' heißt nichts anderes, wenn wir es aus dem Lateinischen herleiten, als herangehen. Herangehen an die Welt, an die Menschen, Kontakte aufzunehmen und vielleicht dabei manchmal auch anzuecken, oder manchmal auch peinlich zu wirken, aber es einfach zu tun. In Humorgruppen wird genau diese Fähigkeit geübt, wird eine Konfrontation geübt, aber immer in einer sehr lustigen, nicht destruktiven Weise. Wo Widerstand auf Widerstand trifft und wo dadurch eben eine Nähe entsteht, die in unseren distanzierten Erwachsenenritualen, in der Kommunikation, im sozialen Umgang, so gar nicht mehr möglich wird. Weil man sich ja nicht zu nahe kommen darf und es ist ja nicht umsonst der Ausdruck, treten Sie mir nicht zu nahe, der bedeutet, dass diese Distanz als etwas sehr Wichtiges angesehen wird. Im Humor ist es so, dass Menschen sich ganz bewusst nahe treten. Nicht zu nahe, aber sie treten sich so nahe, dass sie etwas unmittelbar erleben können, was an die eigene Lebensfreude heranführt. Es ist dies ein eigenes lustbetontes Zurückgehen zum Kern der eigenen Individualität.«