ZDFsonntags - TV fürs Leben: 11.02.07 - mit Michael Titze als Studiogast.
Lachen macht gesund
Über die heilsame Wirkung einer einfachen Fähigkeit

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/Lachen_macht_gesund/43884
oder
http://www.youtube.com/watch?v=BMTON3na_Dk
Moderatorin: Alexandra Vacano
Alexandra Vacano: »Das Lachen ist auf jeden Fall ansteckend, auch bei unserem Lachforscher, der heute früh bei uns zu Gast ist. Guten Morgen Michael Titze, hallo. Sie sind Psychotherapeut und haben diverse Bücher zum Thema Lachen geschrieben u.a. auch dieses: Die heilende Kraft des Lachens. Lachen scheint also ein wirklicher Gesundbrunnen zu sein, psychisch oder körperlich.«

Michael Titze: »Ja, beides. Man geht davon aus, dass sich der Mensch im Lachen der Weisheit des Körpers überlässt. Das rationale Denken wird ausgeschaltet, und dann kommt das wieder in Schwung, was wir schon als Kinder gekonnt haben: Eine ursprüngliche Heiterkeit, die eigentlich Lebensfreude pur ist. Aber wie kommt man da heran? Das ist eben die große Frage, und das ist eben genau das, womit wir uns als Psychotherapeuten auch befassen.«

Alexandra Vacano: »Ja. Da werden wir in unserem Gespräch auch noch genauer darauf eingehen. Aber Lachen kann eben auch medizinisch helfen. Es gibt ja den Spruch im Volksmund, Lachen ist gesund oder Lachen ist die beste Medizin. Es werden ja z.B. auch Clowns in Krankenhäusern eingesetzt, die tatsächlich durch ihre Belustigungen medizinisch helfen können.«

Michael Titze: »Clowns sind seit etwa 10 Jahren ganz wichtig. Sie agieren speziell in pädiatrischen Abteilungen, also dort, wo Kinder im Krankenhaus behandelt werden. Das ist in einer Umgebung, die heute viel unfreundlicher ist, als das vor 20-30 Jahren der Fall war. Der Grund dafür ist die Apparatemedizin. Wenn ein kleines Kind mit diesem chromglänzenden und unpersönlichen Ambiente konfrontiert wird, erfährt es erst einmal einen Schock, eine Traumatisierung, die zur eigentlichen Krankheit dazu kommt. In diesem Zusammenhang kam Dr. Patch Adams, der inzwischen auch aus dem Kino bekannte Lachtherapeut, vor vielen Jahren, als absoluter Außenseiter, auf die Idee, dass man kranken Kindern ganz anders begegnen muss. Und wie sollte das anders machen, als dass die Schwester oder der Arzt sich selbst auf die Entwicklungsstufe des Kindes zurück begeben. Wie das zu machen ist, zeigt uns der Clown, der sozusagen das erwachsene Ebenbild des kleinen Kindes ist. Der Clown regrediert nämlich auf die Stufe des Kindes, nur so vermag er die Kunst des Stolperns und die Lust am Scheitern authentisch auszuleben. Erst unter dieser Voraussetzung kann der Clown im Krankenhaus zu einem Ko-Therapeuten werden.«

Alexandra Vacano: »Ja, darüber lachen wir zum Beispiel. Aber über was lachen wir denn noch? Was sagt denn da der Lachforscher?«

Michael Titze: »Wir lachen immer über das, was eigentlich nicht dem Mainstream entspricht, also das, was unser normales oder auch genormtes Erwachsenenleben ausmacht. Das bezieht sich auf alles, was sich gehört, was ernsthaft befolgt werden muss. In der Welt des Humors geht man aber in die entgegengesetzte Richtung. Man bricht aus der normalen Welt aus, man ver-rückt diesen Rahmen. Der Clown macht das natürlich an erster Stelle. Wer sich an ihm ein Beispiel nimmt, vermag ebenfalls aus diem enggefassten Rahmen der Normalität auszubrechen. Und unter dieser Voraussetzung entsteht das Lachen.«

Alexandra Vacano: »Jetzt habe ich eine Umfrage in Ihren Texten, in Ihren Büchern gelesen, nämlich dass die Deutschen direkt nach dem Zweiten Weltkrieg täglich dreimal mehr gelacht haben als heutzutage. Das ist ja sehr bemerkenswert, uns geht ja heutzutage sehr viel besser, materiell zumindest. Woran liegt das?«

Michael Titze: »Also man fing damals bei Null an, und alles was dann kam, auch wenn es nur ein voller Teller war oder ein warmes Zimmer im Winter, das wurde schon als etwas sehr Positives erlebt. Als sich die wirtschaftlichen Verhältnisse immer mehr verbesserten, es zum Wirtschaftswunder kam, ohne dass die Aufwärtsentwicklung aufhörte, stieg auch das Anspruchsniveau: Wir gehen inzwischen allgemein davon aus, dass nur noch das Allerbeste gut genug ist. Dieser Anspruch ist natürlich viel zu hoch. Bei all der Anstrengung, die damit verbunden ist, bleibt einem das Lachen buchstäblich im Halse stecken. Man kann nämlich am besten dann lachen, wenn man sich nicht an unrealistisch hohen Zielen orientiert, wenn man sich gar nicht so viel vornimmt. Und genau das versucht man in der Lachbewegung umzusetzen. Man will die Teilnehmer anregen, sich allein auf die ganz kleinen Dinge im Leben, die positiv wirken, (wieder) einzustellen.«

Alexandra Vacano: »Aber eigentlich leben wir doch in einer Spaßgesellschaft. Wir haben doch Comedyshows und jetzt steht Karneval vor der Tür, es wird doch genug gelacht.«

Michael Titze: »Es gibt auch Forschung die besagt, dass wir uns heutzutage am liebsten passiv zum Lachen anregen lassen. In früheren Zeiten, als es noch kein Fernsehen gab und der Einfluss der Printmedien viel geringer war, war die von außen kommende Anregung zum Lachen entsprechend bescheidener. Die Menschen mussten sich vor Ort zusammenfinden und die Anlässe zum Lachen selbst produzieren. Im Mittelalter gab es regelrechte Lachgemeinschaften. Der individualisierte moderne Mensch ist demgegenüber vornehmlich ein Zuschauer, der vom Können professioneller Spaßmacher zum Lachen anregen lässt.«

Alexandra Vacano: »Wir stellen fest, Lachen ist sehr komplex. Lachen ist z.B. eben auch wichtig für die Sozialisation des Menschen, also für die Entwicklung seiner Persönlichkeit. Das fängt ja auch schon im frühesten Kindesalter an.«

Michael Titze: »Es fängt damit an, dass das kleine Baby irgendwann anfängt zu lächeln, und mit diesem Lächeln konditioniert, d.h. prägt es die Bezugsperson, die Mutter, so dass sich eine zwischenmenschliche Brücke aufbaut, die beide im Lächeln und Lachen verbindet.

Alexandra Vacano: »Und wenn das ausbleibt?«

Michael Titze: »Wenn das ausbleibt, dann gibt es das, was wir heute in der Psychotherapie zunehmend feststellen: so genannte frühe Selbstwertstörungen, die sich gerade bei Menschen auswirken, die an sich zweifeln, die sich ständig fragen: Bin ich denn überhaupt für andere noch ein Anlass mich freudig anzuschauen, mich anzulächeln?«

Alexandra Vacano: »Das heißt also, wie kann man das Lachen dann auch wieder lernen?«

Michael Titze: »Man macht es zum Beispiel, wir haben es im Beitrag gesehen, heute über die Lachclubs. Das wäre vor 10 Jahren noch undenkbar gewesen. Auf der ganzen westlichen Welt gibt es diese Entwicklung. Hunderttausende von Menschen tun sich einfach so zusammen, um miteinander zu lachen, um das zu lernen, was man vor vielen Jahrzehnten gewiss viel problemloser gekonnt hat.«