BR3 Fernsehen - »Stolperstein« vom 22.06.2000
Interview mit Monika Kecht (Klinkclown) und Michael Titze
Moderation: Barbara Dieckmann
Barbara Dieckmann: »Ich darf Sie herzlich begrüßen und mich bedanken, dass Sie da sind. Wir haben Frau Dr. Klecks, alias Monika Kecht, Sie sind Klinikclown. Haben Sie selbst auch Spaß an der Arbeit?«

Monika Kecht: Ja, ich habe selbst sehr viel Spaß an der Arbeit. Ich gehe regelmäßig in die Klinik. Es ist Grundvoraussetzung, selber Freude und Spaß an der Arbeit zu haben. Frische Energie reinzubringen, auch bei alten Menschen; wir gehen auch ins Altenheim. Es geht darum, die Patienten wieder zu aktivieren und bei ihnen neue Lebensfreude zu wecken. Und wenn man selbst Spaß daran hat, dann überträgt sich das auch auf andere Menschen. Das wissen wir ja: Humor ist ansteckend! Gute Laune muss man selber mitbringen, um die anderen dann auch anstecken zu können. Wir machen sehr individuelle Einsätze, d. h. wir gehen von Zimmer zu Zimmer und kümmern uns um die Kinder, wo sie gerade physisch oder psychisch stehen, soweit man auch spielen kann mit ihnen. So entstehen dann auch sehr leise Momente. Man muss sehr sensibel herausfinden, wo man was macht. Das ist die Voraussetzung für alle Clowns, die bei unserem Verein mitmachen.«

Barbara Dieckmann: »Herr Dr. Titze, ich würde Sie mal als Humorexperten bezeichnen. Sie sind von Haus aus Psychotherapeut. Was ist Ihre Aufgabe als Humorexperte?«

Michael Titze: »Vielleicht ganz kurz: als Psychotherapeut entspricht meiner Aufgabe natürlich die Beschäftigung mit dem, was die Menschen an Leiden mitgebracht haben, was lebensgeschichtlich gewachsen ist. Das ist die vertraute Arbeit des Psychotherapeuten. Als Humorexperte, oder auch ein Psychotherapeut, der seit einigen Jahren zunehmend Humorelemente integriert in seine berufliche Arbeit, ist es die Arbeit mit der Emotion Freude - und der Versuch, diese Emotion in die therapeutische Beziehung hineinzubringen. Aber auch anzuregen, dass dies überhaupt in den klinischen Bereich, in Krankenhäuser und andere Institutionen einfließt. Und so ist es auch eine schöne Aufgabe, die ich übernommen habe, den es Kongresses 'Humor in der Therapie' in der Schweiz zu organisieren.«

Barbara Dieckmann: »Herr Christian Heeck. Sie kommen von der Uniklinik in Münster. Die Uniklinik in Münster war ja eine der ersten deutschen Kliniken, die die Einführung der Clowns zugelassen hat. Wie ist man da auf die Idee gekommen?«

Christian Heeck: »Es gibt einen sehr schönen Satz, mit dem wir das begründen. Ein Krankenhaus muss sich selbstverständlich um die kranken Seiten des Patienten kümmern, darf aber nicht zulassen, dass gesunde Seiten krank werden. Deswegen die Initiative, die 1992 von der Verwaltung selber kam, von einem reformfreudigen Krankenhausdirektor. Er hat sich jemanden von außen geholt, das war ich, der viele Festivals organisiert hatte, mit vielen Künstlern zu tun hatte und der die Aufgabe hatte, ein Programm »Kultur im Krankenhaus« aufzubauen. Die Klinikclowns waren ein ganz wesentlicher Bestandteil für uns, weil wir damit die Möglichkeit hatten, ambulant zu arbeiten, Künstler zu gewinnen, die in die Krankenzimmer gehen, um bei den Kindern und inzwischen auch Erwachsenen dabei zu sein. Einfach vor Ort da zu sein, individuell reagieren zu können, das ist etwas ganz anderes, als bei Konzerten oder Theatervorführungen.«

Barbara Dieckmann: »Ja. Sie haben es gerade angesprochen, dass es leider in sehr wenigen Krankenhäusern in Deutschland stattfindet. Wieso hat sich diese Idee nicht schneller herumgesprochen? Sie haben doch überall positive Erfahrungen gemacht.«

Christian Heeck: »Ich fürchte es, liegt daran, dass so das praktische Tun einfach der Erkenntnis immer ein bisschen hinterherhinkt. Ich glaube, dass wir heute lange rumlaufen müssen, um Mediziner oder auch eine Verwaltung zu finden, die sagen: 'Ja, was soll Humor im Krankenhaus, was soll das Lachen hier, wir müssen Menschen gesund machen, da gibt es nichts zu lachen!' - Es ist einfach so, dass man das organisieren muss. Wir haben im Moment in Deutschland noch die Situation, dass es in etlichen Städten engagierte Künstler gibt, die selber die Sache in die Hand nehmen: die die Sache von sich aus wie saures Bier an die Krankenhäuser herantragen. Aber ich fürchte, dass viele Krankenhäuser Unruhe befürchten, dass sie denken, die bringen uns das ganze Programm durcheinander, dass sind Störfaktoren auf den Kinderstationen. Wissen die denn überhaupt genug darüber was wir hier tun, in der Pflege, in der medizinischen Versorgung? Da sind einfach auch Berührungsängste abzubauen.«

Barbara Dieckmann: »Ich glaube, dass kann Frau Kecht am besten beantworten. Wie ist denn die Zusammenarbeit mit den Ärzten und mit dem Pflegepersonal im Krankenhaus. Akzeptieren die es da wo Sie schon arbeiten, oder hat es lange gedauert? War es ein Entwicklungsprozess?«

Monika Kecht: »Also es ist sehr unterschiedlich. Im Großen und Ganzen funktioniert es sehr gut, wobei ich Ihnen insofern zustimmen muss, dass sehr viel Informationsarbeit nötig ist, um diesen Berührungsängsten zu begegnen. Es dauert eben eine Weile, bis das Ganze funktioniert. Es ist für uns eine Vorbedingung, mit den Pflegern, mit den Schwestern, den Ärzten und natürlich auch mit den Eltern zu arbeiten. Von daher ist wichtig, dass es auf diese Zusammenarbeit auf Ebene des Einvernehmens funktioniert.«

Barbara Dieckmann: »Jetzt würde mich mal interessieren Herr Dr. Titze, was bewirkt denn diese Lachtherapie, diese Fröhlichkeit im Krankenhaus? Hat das nur unterhaltenden Charakter oder auch therapeutischen Wert?«

Michael Titze: »Wir müssen natürlich zwischen unterhaltendem Humor und therapeutischem Humor sehr genau unterscheiden. Den Unterhaltungshumor gibt es seit ewigen Zeiten. Der therapeutische Humor, der wissenschaftlich untermauert ist, ist ein noch neuartiges Phänomen. So gibt es in den Vereinigten Staaten eine eigene Lachforschung, die Gelotologie, die zu spektakulären Ergebnissen geführt hat.«

Barbara Dieckmann: »Zu welchen?«

Michael Titze: »Zum Beispiel hat man herausgefunden, dass - über einen längeren Zeitraum gesehen - die Immunabwehr durch Lachen gestärkt wird und dass ausgiebiges Lachen wahrscheinlich auch die Ausschüttung von Glückshormonen bewirkt: Das wäre dann auch wieder im Zusammenhang mit der Emotion Freude zu sehen. Insgesamt können wir davon ausgehen, dass Lachen tatsächlich medizinisch bedeutsam und heilsam ist.«

Barbara Dieckmann: »Ja. Das ist dann ein ganz wesentlicher Faktor. Muss man denn dazu eine Ausbildung haben? Ich meine, man kann ja nicht einfach ins Krankenhaus gehen zu Patienten und sagen, so jetzt kaspere ich mal hier rum und dann ist es das schon.«

Michael Titze: »Ich denke, das ist ja auch das Ziel, die einzelnen Klinikclown-Vereine machen das intern. In der Schweiz wird ein formaler Ausbildungsgang zum Klinikclown oder auch Humorberater gestartet, wahrscheinlich noch dieses Jahr.«

Barbara Dieckmann: »Frau Kecht, Sie haben das gelernt?«

Monika Kecht: »Ja, ich habe eine Ausbildung gemacht. Allerdings keine spezielle Klinikclownausbildung, sondern eine Clownausbildung und bin dann später zu den Klinikclowns gekommen. Das ist auch so, dass bei uns die Leute ausgewählt werden, es kann sich ja nicht jeder eine Clownsnase aufsetzen.«

Barbara Dieckmann: »Die positiven Erfahrungen, die Sie gemacht haben bei der Kindertherapie im Krankenhaus, die setzen sich ja fort auch bei älteren Patienten, sprich auch im Altenheim. Sie haben gesagt, Sie gehen auch in Altenheime. Was das da bewirkt, das schauen wir uns jetzt mal im nächsten Film an. Da geht einem so richtig das Herz auf, wenn man das sieht. Frau Kecht, muss man sich als Klinikclown auf ältere Menschen anders einstellen, also ein anderes Programm haben?«

Monika Kecht: »Also es ist so, dass wir von Haus aus keine Programme haben, wir improvisieren. Was ähnlich ist sowohl bei den Kindern als auch bei den älteren Menschen, ist eine positive Grundeinstellung des Clowns, dass er also eine gewisse Naivität und Frische hineinbringt. Bei älteren Menschen kommt hinzu, dass das Spiel sehr viel langsamer ablaufen muss, dass viel Nähe auch dazukommt, dass wir versuchen, sie zu aktivieren mit uns zu singen. Es kommt Berührung hinzu, gerade bei Pflegefällen.«

Barbara Dieckmann: »Es ist also doch ganz anders, wobei es diese gewisse menschliche Nähe wie bei den Kindern auch gibt. Herr Heeck, alte Menschen, junge Menschen. Kinder in den Kliniken, die sich durch die Clowns erfreuen lassen und die auch wirklich Spaß daran haben, das konnten wir ja beobachten. Was ist mit den anderen Patienten, also die Altersstufe dazwischen?«

Christian Heeck: »Ich glaube, dass eigentlich jeder bedürftig ist, Lachtherapie zu bekommen. Es liegt einfach daran, dass das Krankenhaus kein normales Umfeld für uns Menschen ist. Im Krankenhaus gibt es ganz viele Nebenwirkungen. Die gewohnte, vertraute Umgebung fehlt, die Menschen, mit denen man sonst seinen Tag teilt, die Möglichkeit, seine eigene Freizeit zu gestalten, seinen Tagesablauf zu bestimmen usw. Deswegen denke ich, dass also Klinikclowns in jeder Klinik, egal welche Patientengruppe da gerade ist, bedeutsam werden.«

Barbara Dieckmann: »Aber es ist leider noch nicht soweit und daher, Herr Dr. Titze, setze ich wieder bei Ihnen an. Sie sind sozusagen der Botschafter bei diesen Projekten in Europa. Im Vergleich zu Deutschland, wie ist die Finanzierung geregelt? Wer übernimmt die Finanzierung in Deutschland und wie ist es im Ausland?«

Michael Titze: »Ich fange einmal mit den Vereinigten Staaten an. Da gibt es sehr viele private Institutionen, private Kliniken, Hochschulen, die natürlich schauen, dass sie möglichst effiziente Arbeit machen. Das ist für sie sehr wichtig, damit sie auch in der Öffentlichkeit ankommen und auch etwas vorzuweisen haben.«

Barbara Dieckmann: »Ja. Es soll ja Beispiele geben. Es sollen ja viele Kliniken auf diese Idee kommen, damit diese Idee weitergetragen wird.«

Michael Titze: »Ja, und da ist es so, dass Sponsoren gesucht und gefunden werden, die mit der Institution Kliniken verbunden sind. In dieser Hinsicht gibt es in den Vereinigten Staaten keine großen Probleme gibt. Das hat die Entwicklung sehr gefördert. So konnte sich die Idee des heilsamen Humors sehr ausbreiten. Es gibt heute in den USA kaum noch eine Klinik, die nicht zumindest einen Humorberater hat.«

Barbara Dieckmann: »Sponsoren sind also auch bei uns wichtig, ja?«

Michael Titze: »Die sind bei uns absolut wichtig, weil das staatlich noch nicht anerkannt ist. Es besteht aber die Hoffnung, dass das mittel- oder langfristig doch der Fall ist. Aber es gibt auch bei uns einige wenige Sponsoren. Es sieht im europäischen Ausland übrigens etwas besser aus, z.B. in der Schweiz, wo sich z.B. Versicherungen engagiert haben.«

Barbara Dieckmann: »Also ich hoffe, dass das jetzt sehr viele hören und die positiven Ergebnisse weiter tragen. Herr Heeck, Sie sind ja in der Uniklinik in Münster schon einen Schritt weiter. Also Sie machen nicht nur Klinikclowns, sondern ich würde mal sagen, Sie haben so eine Art Kulturrevolution in das Krankenhaus getragen.«

Christian Heeck: »Ja, das war natürlich eine sehr sanfte Revolution. Die Idee ist tatsächlich, dass wir uns um die Kultur des Krankenhauses selber kümmern müssen. Wenn wir mit Clowns, mit Konzerten und Veranstaltungen ins Krankenhaus kommen, dann verändern wir die Atmosphäre. Kultur im Krankenhaus bedeutet, sich um die Kultur des Krankenhauses zu kümmern. Mein Lieblingssatz ist ein chinesisches Sprichwort, das heißt, die Behandlung sollte nicht schlimmer sein als die Krankheit. Das ist in der Realität aber oft so, d.h. wir muten Patienten oft neben der Krankheit zu, dass sie sich den Abläufen und Erfordernissen unserer Arbeitsrationalität beugen müssen. Das finde ich falsch. Ich denke, dass Krankenhäuser heute umlernen müssen. Dass sie lernen müssen, sich auf den Patienten einzustellen und der Patient auch Kunde ist.«

Barbara Dieckmann: »Ja, ist das auch so eine Art Servicecharakter?«

Christian Heeck: »Ja, ich bin sicher, dass es so ist. Und wenn schon nicht die Einsicht in die medizinische Notwendigkeit von therapeutischem Lachen besteht, könnte doch zumindest der Gedanke der Ökonomie dazu beitragen, dass viele Kliniken über den Gedanken des Marketing für ihr Haus anfangen, sich neuen Initiativen zuzuwenden und vielleicht eben solche Initiativen zu starten. Also auch Clowns reinholen, weil sie merken, zufriedene Patienten, Patienten, die sich ihrer Gesundheit angesprochen fühlen, die unterstützt werden, auch in der Bewältigung ihrer Krankheit: das sind natürlich Patienten, die sehr viel zufriedener in der Klinik sind. Das ist die Rückmeldung, die wir z.B. auch von ganz vielen Mitarbeitern bekommen. Die sagen, seit ihr da seid mit eurem Programm, ist das für uns viel einfacher unsere Arbeit zu tun.«

Barbara Dieckmann: »Ja, und für den Patienten in jedem Fall natürlich. Das haben wir ja gesehen. Aber es ja ein Phänomen in unserer Gesellschaft, dass wir kaum noch lachen können, weil wir so gestresst sind mit Erfolgszielen. Herr Dr. Titze, was kann man machen, um allgemein die Lachtherapie unters Volk zu bringen?«

Michael Titze: »Auch ich kenne ein schönes Motto: Lachen kann ihrer Krankheit schaden. Das ist etwas, was möglicherweise mit diesem Stichwort »Salutogenese« zu verbinden ist: also einfach die Idee, dass ich versuche für meine Gesundheit etwas zu tun, ohne mich vorab als ausgesprochen krank zu definieren.«

Barbara Dieckmann: »Da gibt es ja Lachclubs, habe ich gehört.«

Michael Titze: »Ja. Wir werden aber auch in dieser Hinsicht durch das Ausland beeinflusst. Amerika habe ich schon erwähnt. In letzter Zeit kommen die Impulse aber auch aus Indien, wo sich eine alte Tradition seit einigen Jahren wieder etabliert hat, die zur Schaffung der erwähnten Lachclubs führte. Da geht es um nichts anderes, als zu lachen, und zwar ohne dass man sich Witze erzählt! In diesen Lachclubs wird vielmehr mit bestimmten Übungen, Atemübungen, die aus dem Hatha-Yoga abgeleitet sind, gearbeitet. Das hat sich jetzt sehr stark auch in Deutschland etabliert.«

Barbara Dieckmann:
»Sie haben einige Bücher darüber geschrieben, das wollte ich an dieser Stelle noch erwähnen. Wer also will, der kann etwas tun. Für heute darf ich mich bei Ihnen allen sehr herzlich bedanken.«