Vor etwa 25 Jahren unternahm Norman Cousins, damals Herausgeber einer amerikanischen Zeitschrift, eine längere Auslandsreise. Bei seiner Rückkehr war er psychisch und körperlich an einen Tiefpunkt gelangt: Er hatte schwere Fieberanfälle und einen Tiefpunkt gelangt: Er hatte schwere Fieberanfälle und sehr starke Schmerzen und fühlte sich insgesamt schwach und unwohl. Im Krankenhaus wurde er genau untersucht. Die Laborbefunde ergaben, daß er an einer Spondylarthritis litt. Bei dieser Krankheit handelt es sich um eine degenerative Entartung der Grundsubstanz der Gelenke und der Wirbelsäule. Die Prognose war denkbar schlecht: In seinem autobiographischen Krankheitsbericht Der Arzt in uns selbst gibt Cousins eine Überlebenschance von 1:500 an.
Nun hätte manch einer bei solch erschreckend schlechten Aussichten resigniert. Doch Norman Cousins war von einem starken Lebenswillen erfüllt. Er wollte nicht, aufgeben, wollte sein Schicksal auch nicht auf Gedeih und Verderb seinen Ärzten anvertrauen. Er wollte es so weit wie möglich aktiv selbst in die Hand nehmen. So begann er zu lesen. Alles, was über seine Krankheit publiziert worden war, ließ er sich beschaffen. Und er ließ sich durch die pessimistischen Aussagen der Experten nicht entmutigen. Bei seinem Selbststudium stieß Cousins immer wieder auf Hinweise, daß eine mutlose Einstellung (verbunden mit einem negativen Gefühlszustand) einen unheilvollen Einfluß auf das innersekretorische System nimmt. Daraus folgerte er, daß umgekehrt ein positives Denken, einhergehend mit möglichst euphorischen Gefühlen, zur Stärkung der körpereigenen Immunabwehr, also zur Wiederherstellung des biochemischen Gleichgewichts führen müsse.
Lediglich positiv zu denken (hierfür gibt es seit Jahrzehnten eine Fülle von einschlägigen Ratgebern), schien Cousins allerdings zu wenig. Er wollte eine Heiterkeit erleben, die so umfassend wie nur irgend möglich sein sollte. Sie sollte »aus dem Bauch« kommen, den gesamten Körper erfassen und nicht zuletzt auch atmosphärisch bestimmt sein. Dies war im sterilen Krankenzimmer kaum zu erreichen: »Krankenhäuser sind der falsche Platz für kranke Leute«, sollte Cousins nach seiner Genesung scherzen. Mit Einverständnis seiner zunächst skeptischen Ärzte zog er deshalb in ein freundliches Hotelzimmer in der Nähe der Klinik um. Dort ließ er sich von einer Krankenschwester lustige Slapstick-Filme vorführen oder witzige Bücher vorlesen.
Und er wurde von Freunden besucht, die mit ihm so viel wie möglich scherzten und lachten. Dabei machte Cousins tatsächlich bald die Erfahrung, daß seine Schmerzen weitgehend nachließen, wenn er etwa 10 Minuten lang lauthals gelacht, hatte. Er konnte danach - was zuvor ganz unmöglich gewesen war - mindestens eine Stunde lang problemlos schlafen. Und, was besonders bemerkenswert war: spezifische Tests zur Feststellung des Entzündungsgrades im Bereich der Wirbelsäule ergaben eine signifikante Abnahme der sog. Sedimentationsrate nach jeder derartigen »Lachkur«.
Norman Cousins ist vollständig genesen. Er hat mehrere Zeitschriftenartikel und Bücher über seine Lachtherapie geschrieben und er hat in der medizinischen Fachwelt als Laie Unglaubliches in Bewegung gesetzt! Als sein erstes Buch Ende der 70-er Jahre veröffentlicht wurde, begann man sich in den Vereinigten Staaten gerade mit der sog. Psychoneuroimmunologie, d.h. dem Zusammenwirken (gedanklicher) Hirnfunktionen, hormonalen Vorgängen und dem Immunsystem zu befassen. Dies geschah im Anschluß an die von Hans Selye angeregte Erforschung der Streßreaktion. Wissenschaftler von der kalifornischen Stanford-Universität haben in diesem Zusammenhang Pionierarbeit geleistet, indem sie den Grundstein für die »Gelotologie«, die naturwissenschaftliche Lachforschung legten.
Beflügelt durch,das ungeheuere Aufsehen, das die Bücher von Norman Cousins hervorgerufen hatten, konnten die Gelotologen in den letzten Jahren daran gehen, mehr und mehr Experimente über die positiven Auswirkungen des Lachens auf die mensch liche Gesundheit vorzulegen. Ich beziehe mich hier lediglich auf die Ergebnisse, die der Stanford-Professor William Fry zusammen mit seinen Mitarbeitern in diesem Zusammenhang vorgelegt hat. Danach steht fest, daß Lachen einer ausgezeichneten Leibesübung entspricht, einem »Jogging« (oder einer Aerobic-Übung) ohne Ortsveränderung. Fry sieht darin eine hervorragende Möglichkeit, Behinderte, z. B. gelähmte Rollstuhlfahrer, körperlich »in Schwung zu bringen«. Denn ein »herzhaftes« Lachen - das besagt schon der Name! - stimuliert das Herz-Kreislaufsystem zunächst sehr stark. Gleichzeitig wird die Atmung so intensiviert, daß der Gasaustausch in der Lunge um das Drei- bis Vierfache gesteigert wird. Es gelangt dadurch mehr Sauerstoff in die Lunge' und das Blut. Recht bald tritt nach derartigen Lachübungen aber eine Entspannungsphase ein. Dabei verringert sich der Blutdruck und die zunächst angespannte Muskulatur beginnt sich nachhaltig zu! entspannen. Experimentelle Untersuchungen. haben den Hinweis dafür erbracht, daß Lachen mindestens den gleichen Entspannungseffekt hervorbringt wie das Autogene Training oder ein umfassendes Biofeedback-Training.
Während des Lachvorgangs wird ferner die Schmerzempfindungsschwelle deutlich erhöht. Dies ist von Bedeutung im Hinblick auf chronifizierte schmerzintensive Krankheitsverläufe, die mit den Möglichkeiten der Schulmedizin nicht zu kurieren sind. Dazu zählen insbesondere die vielen psychosomatischen Leiden (z.B. migräneartigen Kopfschmerzen, Verspannungen der Skelettmuskulatur sowie funktionelle Störungen des Herz-Kreislaufsystems und der Magen-Darmtätigkeit). Daneben sind Schmerzen zu erwähnen, die durch Krebs bzw. eine entsprechende chemotherapeutische Behandlung verursacht werden.
In solchen Fällen greifen die Betroffenen vielfach auf symptomzentrierte Schmerzmittel zurück. In letzter Zeit häufen sich aber die Hinweise dafür, daß ein gezielt eingesetztes Lachtraining ein sehr wirksames Medium der Schmerzbekämpfung sein kann. Der amerikanische Gelotologe Prof. McGhee fordert deshalb, dem Humor und Lachen endlich die Bedeutung einer Alternative zu medikamentösen Schmerzbekämpfung beizumessen. Erste Schritte in diese Richtung wurden schon getan: So hat das »Rehabilitation Center« in Detroit einen Humorraum eingerichtet, in dem chronische Schmerzpatienten lernen, lachend ihre Muskelverspannungen und damit auch ihre Schmerzen abzubauen.
Die wesentlichen Mechanismen, die in diesem Zusammenhang wirksam werden, lassen sich folgendermaßen beschreiben:
1. Das Lachen lenkt die Aufmerksamkeit ab. Schon Viktor Frankl, der zweifellos als der »Vater« jeglicher Humoranwendung in der Psychotherapie bezeichnet werden muß, spricht hier von Dereflexion. Ein fröhlicher, lachender Mensch ist auf eine ganz natürliche Weise abgelenkt; er schenkt seinen Schmerzen kaum Beachtung.
2. Das Lachen verändert die Einstellung gegenüber dem Schmerz. Auch in diesem Zusammenhang hat Viktor Frankl Pionierarbeit geleistet, der im Hinblick auf die Psychotherapie die grundsätzliche Frage aufwirft, »wie sich der Mensch zu dem, was er erlebt, einstellt«. Wem es nämlich gelingt, sich auf sein Leiden« seine Schmerzen humorvoll einzustellen, dem wird es auch gelingen, sich von jenem Gefühl einer defaitistischen Verzweiflung zu distanzieren, das mit einem chronifizierten Leidenszustand gewöhnlich einhergeht. Frankl schreibt: »Und nichts vermöchte einen Menschen in solchem Maße instand zu setzen, Distanz zu schaffen zwischen dem Leiden und sich selbst, als eben der Humor. Durch ihn lernt der Patient am ehesten noch, seine neurotischen Symptome irgendwie zu ironisieren.«
3. Das Lachen führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer vermehrten Ausschüttung von Endorphinen. Schon Norman Cousins war überzeugt, daß dieses körpereigene Morphium (das auch bei Langstreckenläufern, wahrscheinlich aber auch bei sterbenden Menschen ein Hochgefühl hervorruft) im Rahmen seiner eigenen Lachkur zur Wirkung kam. Auch wenn es hierfür noch keine eindeutigen experimentell-fundierten Belege gibt, spricht doch einiges dafür, daß nach einer Lachübung, die sich über mindestens 10 Minuten erstreckt hat, etwas ganz Eigenartiges im Körper geschieht: Ich selbst, habe in den letzten Jahren in den von mir angeleiteten Humor- und Lachgruppen immer wieder festgestellt, welch ein Hochgefühl selbst bei Menschen aufkam, die seit langem von Schmerzen und Hoffnungslosigkeit geplagt waren, nachdem sie buchstäblich bis zur Erschöpfung gelacht hatten.
Die vielleicht bemerkenswertesten Untersuchungsergebnisse wurden erst in allerjüngster Zeit von der Forschergruppe um Prof. Fry vorgelegt. Daraus geht hervor, daß der Spiegel der Streßhormone Adrenalin und Kortisol nach entsprechenden Lachübungen deutlich abgesenkt war. Außerdem konnte nachgewiesen werden, daß die Produktion bestimmter Lymphozyten, die den Körper gegen viele Krankheitserreger schützen, deutlich zugenommen hatte. Dieses Ergebnis ist nicht zuletzt deshalb sehr interessant, als es gerade die sog. Helfer T-Zelle ist, die vom AIDS-Virus gezielt angegriffen wird.
Bei anderen Untersuchungen stellte sich heraus, daß im Speichel von Versuchspersonen, die sich heitere Videofilme angeschaut hatten, eine deutliche Vermehrung von Immunoglobulinen nachgewiesen werden konnte. Diese Eiweißkörper, die Krankheitserregern Widerstand leisten, werden andererseits bei Streß deutlich abgebaut.
Ferner gibt es Hinweise dafür, daß Lachen auch die Aktivität der sog. Killerzellen fördert, die ebenfalls zum körpereigenen Abwehrsystem gehören.
Prof. McGhee führt in seinem Buch The Laughter Remedy Untersuchungen zum Thema »Überlebensrate bei Krebs- und AIDS-Patienten« an. Die Ergebnisse weisen darauf hin »daß eine humorvoll-heitere Lebenshaltung eindeutig dazu beiträgt, die Lebensqualität von Krebs- und AIDS-Patienten zum einen zu verbessern und zum anderen die Lebenszeit zu verlängern. Schon bei Überlebenden von Konzentrationslagern war eine von Humor geprägte Einstellung der »Rettungsanker persönlichen Überlebens«, wie Edith Eger, Auschwitzüberlebende und Schülerin Viktor Frankls schreibt. Scherze und die Fähigkeit zu lachen hätten die Häftlinge gleichsam immunisiert gegenüber einer durch und durch lebensfeindlichen Umgebung. Frankl selbst weist darauf hin, daß der »leiblich-seelische Verfall (z. B. im Konzentrationslager) abhängig ist von der geistigen Einstellung, von der Trotzmacht des Geistes«. Eben diese Einstellung ist es, die im Humor ihren Ausdruck findet, der nach Frankl eine »Waffe der Seele im Kampf um Selbsterhaltung« ist.
Für McGhee steht deshalb fest, daß ein guter Sinn für Humor stets die Gewähr bietet, auch inmitten widrigster Lebensumstände eine positive, lebensbejahende Einstellung zu bewahren. Humor ist die Voraussetzung für eine Umstellung pessimistischer Lebensgefühle, die sich auf das Immunsystem wie ein schleichendes Gift auswirken. Der aus dem Humor entspringende Optimismus, der sich im »befreienden Lachen« so unverkennbar kundtut, nimmt dabei vom ganzen Körper Besitz. Er durchdringt ihn mit einer Kraft, die natürliche Ressourcen entbindet und dadurch eine »chemische Fabrik« in Gang setzt. Diese erzeugt auf eine natürliche Weise viele jener Heilmittel, die bei der Bekämpfung verschiedenster Krankheiten benötigt werden. Die gleiche chemische Fabrik kann aber auch gefährliche (Streß-) Gifte erzeugen, wenn sich ein Mensch dazu bringen läßt, eine negative, »tod-ernste« Lebenseinstellung zuzulassen, die mit Angst, Niedergeschlagenheit und Pessimismus einhergeht.
Solche Erkenntnisse haben in allerjüngster Zeit dazu geführt, daß vor allem in den USA, aber auch in Kanada, Großbritannien, Schweden und selbst in Korea, einige Kliniken damit begonnen haben, formale Humor- und Lachtherapieprogramme für ihre Patienten anzubieten. Bemerkenswert ist dabei, daß es gerade die onkologischen (d.h. die auf die Behandlung von Krebspatienten ausgerichteten) Abteilungen sind, die spezielle »Lachzimmer« eingerichtet haben, »Gelächterwagen« - beladen mit witzigen Tonband- und. Videokassetten, »Lachsäcken« und humorigen Büchern - einsetzen oder Krankenschwestern gezielt zum Witzerzählen anregen. Einige Kliniken haben mittlerweile Vollzeitstellen für sog. Humor-Koordinatoren geschaffen. Und in New Yorker Krankenhäusern läuft derzeit ein Versuch, bei dem Ärzte in Clownskostümen chronisch kranke Kinder behandeln und aufheitern.
Diese Humor-Programme greifen im wesentlichen auf die althergebrachten Mittel der Komik zurück, um die Patienten zum Lachen zu bringen. Das heißt, es werden Witze und komödiantenhafte Einlagen verwendet, die ebenso bei einer konventionellen Kabarettveranstaltung »ankommen« würden. Vereinzelt gibt es auch Publikationen über sog. therapeutische Witze, d. h. solche, die z. B. im Rahmen einer Psychotherapie bei der Auffindung von Einsicht besonders hilfreich sein sollen. So hat der amerikanische Psychologe Harold Mosak in seinem durchaus ernstgemeinten Buch »Ha Ha and Aha« eine Sammlung von hunderten derartiger Witze vorgelegt.
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