|
SWR1, »Der Abend«, 22.02.2012 |
|
Auf der Suche nach dem Fasching (gekürzt) |
|
|
|
mit Bernd Hefter |
|
|
|
Moderator: Haben Sie es auch schon gemerkt, es gibt ja nichts Ernsteres als Fassnacht. Da muss man auf Kommando lustig sein. Vielen gelingt das auch nach ein paar Bieren, andere kriegen angesichts wild verkleideter und kreischender Menschen die Krise. Aber Fasching hat eben auch was Ernstes, eine Hierarchie: Prinzen, Monarchen, Tollitäten, Elferräte und Karnevalsvereine, die durchaus in Konkurrenz zueinander stehen. »Aber das närrische Publikum braucht einen institutionalisierten Anschub um aus der Rolle zu fallen«, sagt der Humorforscher Dr. Michael Titze. Er ist Psychologe, Psychotherapeut und Vorsitzender des Vereins HumorCare Deutschland-Österreich.
Herr Titze, was brauchen denn Menschen um lustig zu sein? Ein Gen oder Alkohol?
Titze: Alkohol führt dazu, dass man nicht mehr so perfekt ist in seinem Denken und vor allem nicht im Verhalten. Man verhält sich dann einfach so, wie sich Menschen verhalten, die nicht perfekt erzogen sind. Das heißt, alkoholisierte Menschen lassen sich gehen, sie werden primitiver und indem sie primitiver werden, werden sie einfacher. Sie werden schließlich wieder so, wie sie vielleicht in der Pubertät oder in der Kindheit waren, nahe dran an Position der Komik.
Moderator: Es gibt ja Menschen, die sind von Natur aus lustig und fröhlich und andere die wirken eher unlustig und unterkühlt und vielleicht auch sehr reserviert. Gibt es dann sowas wie ein Humor-Gen?
Titze: Das wird diskutiert, aber ich glaube das nicht. Ich glaube vielmehr es ist so, dass Menschen die seit ihrer Kindheit oder gar nicht oder nicht besonders daran gehindert wurden, authentisch zu sein, also ihr Inneres Kind immer wieder zum Ausdruck zu bringen (das ist das sogenannte Lustprinzip), dass diese Menschen überhaupt keine Probleme mit dem Humor haben und dass diese auch außerhalb der fünften Jahreszeit so sind wie man sein muss, um Humor auszuleben und das durch häufiges Lachen selbst zum Ausdruck zu bringen und andere zum Lachen zu bringen. Das bedeutet, dass diese Leute nicht perfekt sein wollen.
Moderator: Es gibt ja Menschen, die leben jetzt an Fasnacht unglaublich auf, sind fröhlich, sind ständig unterwegs und andere, die sagen: Hoffentlich ist dieser Zirkus möglichst schnell vorbei. Warum spaltet denn Fasnacht so?
Titze: Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Menschen, die vor der Fasnacht Angst haben, immer Angst haben. Auch über das ganze Jahr fürchten sie, aus der Rolle zu fallen und einen schlechten Eindruck zu vermitteln: Diese Menschen haben ein latentes Schamproblem.
Moderator: Was sagen sie als Humorforscher diesen Menschen? Können die dieses Problem irgendwann einmal therapieren?
Titze: Wir machen das in unseren Seminaren so, dass wir diese Menschen dazu bringen, aus ihrer Schamhaltung (und das ist immer eine Perfektionshaltung) herauszukommen, indem sie ganz bewusst den Mut zur Lücke, zur Unvollkommenheit und zur Lächerlichkeit langsam erlernen und schließlich zu genießen und zu einer neuen Lebenshaltung zu erheben.
Moderator: Morgen ist Aschermittwoch, sind sie dann auch noch lustig?
Titze (lacht): Also ich habe ihnen ja schon gesagt, ich bemühe mich wirklich das ganze Jahr über, diese Haltung an den Tag zu legen, weil ich das ja auch meinen Klienten vermitteln muss und ich habe damit überhaupt keine Probleme.
Moderator: Herr Titze, sie haben vorhin gesagt, man muss sein inneres Kind immer wieder zum Ausdruck bringen, das hilft, lustig zu werden oder zu sein. Mal ein praktisches Beispiel: »Wie können sie denn auf Knopfdruck lustig werden?
Titze: Ich mache das, was ich auch meinen Klienten beibringe, damit sie lustig werden und auf andere entsprechend wirken: Ich verändere einfach meine Diktion und ich fange dann an, umgekehrt zu atmen. Das ist ein wichtiger Einstieg für mich, der mich dazu bringt, dass ich selber lachen kann und andere wahrscheinlich auch. Das ist die Clownsroutine, die wir natürlich auch in der Arbeit mit Menschen, die eine Gelotophobie haben, also eine Angst vor dem Lachen anwenden. In unseren Humordrama-Gruppen sagen wir zum Beispiel: Versuchen sie mal etwas zu tun, was richtig komisch ist. Und dann geben wir ihnen diese Instruktion: »Machen sie einfach etwas, was aus dem normalen Lauf der Dinge herausfällt: So werden Sie andere Leute garantiert zum Lachen zu bringen. Stecken sie die Zunge weit zwischen die Zähne und erzählen sie einfach, wie es ihnen heute schon ergangen ist.« Sie merken, das ist etwas, was aus einem anderen Bereich kommt als dem des Alltagsernstes. Dies ist ein gänzlich anderer Bereich, in dem andere Spielregeln gelten. Dort reinzukommen muss ein notorisch ernster Mensch erst lernen: Dazu gehören alle Menschen die zum Beispiel ein Burnout-Problem oder Depressionen haben. Sie alle können nicht mehr lachen.
Moderator: Herr Titze, sie haben ja einmal gesagt, Humor ist ein soziales Schmiermittel. Heißt das, mit lustig geht alles besser?
Titze: Lustig ja, aber lustig ist der Effekt und die Voraussetzung dafür ist das Komische. Um andere Leute zum Lachen zu bringen muss man selber komisch sein. Man muss also den Mut zur Lächerlichkeit haben, was eine Variante des Mutes zur Unvollkommenheit ist und da darf man sich nicht genieren aus der Rolle zu fallen.
Moderator: Jetzt schauen sie einmal in unsere Gesellschaft rein, wie ist denn da so der Trend? Werden wir insgesamt kollektiv eher lustiger, humorvoller oder eher miesepetrig?
Titze: Die Forschung sagt, dass es genau umgekehrt ist. Wir orientieren uns an Idealnormen, wir wollen zum Beispiel sehr schön sein, wir wollen absolut kompetent im Beruf sein, wir wollen möglichst viele Freunde haben - und da ist der Zwang, die Perfektionserwartungen zu erfüllen so stark, dass einem der Sinn für das wirklich Komische abgeht: also für das Unvollkommene, das Lächerliche. Und dann geht man in Comedys, wo tolle, professionelle Spaßmacher sind, die all das bestens beherrschen. Das sind dann diejenigen, die einen stimulieren, eben diesen Mit zur Lächerlichkeit zu finden. Und wenn man sich damit identifiziert wird man vielleicht merken, dass man authentischer wird, dass es Möglichkeiten gibt, sich freier zu fühlen: Aus dieser Einstellung heraus kann man schließlich lustiger und auch kreativer werden. Die Voraussetzung ist, dass man sich auf die Ebene eines Narren begibt, des Inbegriffs eines komischen Menschen. Und der Narr ist wiederum das Ebenbild des kleinen Kindes. Und wodurch zeichnet sich das kleine Kind aus? Dass es unvollkommen ist und sich nicht schämt.
Moderator: Also lassen wir doch ab und zu einmal das Kind in uns heraus und haben wir etwas Mut zur Lächerlichkeit. Das hilft dann insgesamt fröhlich und lustig zu werden und fördert, wie auch geben gehört, die Kreativität. Das sagt der Humorforscher, Psychologe, Psychotherapeut und Vorsitzender des Vereins HumorCare Deutschland-Österreich Dr. Michael Titze.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|