Lachen - Lächeln - Heiterkeit
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Von Michael Titze, Ludwig Zink
[Quelle: Tools - Österreichische Fachzeitschrift für Erwachsenenbildung 2001/Heft 1]
Lachen ist für den französischen Philosophen Henri Bergson nicht »begreifbar«, es entzieht sich geradezu jeder begrifflichen Erkenntnis. Es sei wie die Schaumkrone auf einer Meereswoge, und der Theoretiker des Lachens sei wie ein Kind, das den Schaum mit der Hand abschöpfe und sich wundere, dass gleich darauf nur noch ein paar Wassertropfen durch seine Finger rinnen, viel salziger, viel bitterer als das Wasser der Welle, die den Schaum an den Sand trug. »Das Lachen ist eine Reaktion des Körpers, in der dieser sich gegen Vergeistigung, Rationalisierung und Abstraktion behauptet. Der Lachende überlässt seinen Körper sich selbst; er verzichtet auf Kontrolle« (Kamper/Wulf, S. 7). So ist das Lachen unverkennbar Ausdruck einer naiven Lebensfreude, die keiner vernünftigen Begründung bedarf und keine normative Reglementierung erträgt. Im Lachen offenbart sich die affektive Lebendigkeit des Menschen in seiner ursprünglichsten Weise. Der lachende Mensch genügt sich selbst, weil er das »Urvertrauen zum Dasein« unmittelbar erlebt. Lachforscher (Gelotologen) haben den physischen Akt des Lachens mit einer Befreiung in Zusammenhang gebracht, die Spannungen auflöst, Selbstheilungskräfte mobilisiert und den Energiefluss im Körper erleichtert. Psychologisch lässt sich das als eine Freisetzung von aggressiver Energie verstehen. Eibl-Eibesfeldt interpretiert das Zähnezeigen und die typischen Lautäußerungen beim Lachen als eine ritualisierte archaische Drohgebärde. Diese wirkt gerade auf Gruppenfremde aggressiv, während sie innerhalb der Bezugsgruppe ein starkes Band schafft und ein gemeinsames »Triumphgefühl« hervorruft. Lachen scheint in seiner usprünglichen Funktion gegen Dritte zu verbinden.

Die heilsame Wirkung des Lachens ist heute ein wichtiges Thema in der Psychotherapie. So versucht man mit Hilfe bestimmter provokativer Gesprächstechniken auf Seiten des Patienten eine »Humorreaktion« hervorzurufen - das heißt Erkenntnisse anzuregen, die mit Erheiterung einhergehen und sich im Lächeln und/oder Lachen äußern. Zusätzlich wird versucht, die physiologische Heilkraft des Lachens durch bestimmte averbale Übungen in Gang zu setzen. Am bekanntesten in diesem Zusammenhang ist das »Yoga-Lachen«, das in indischen Lachklubs entwickelt wurde.

Das Lächeln ist eine (weitgehend) aggressionsfreie Kontaktgebärde, ein »mimischer Stoßdämpfer«. Die Gesichtsmuskulatur ist bei Geburt bereits voll ausgebildet und funktionsfähig. Schon Säuglinge können ein selektives soziales Lächeln einsetzen, um die Interaktion mit der Bezugsperson zu fördern. Dieses Interaktionslächeln signalisiert »einen aktiven Zustand von Freude. Es wirkt wie eine Art Klebstoff, der Säugling und Eltern verbindet. Das lächelnde Gesicht ist ein »Spielgesicht«. Es stellt ein universales Signal für Freundlichkeit, Kooperationsbereitschaft, Zustimmung und Freude dar. Paul Ekman beschreibt verschieden Formen des Lächelns. Nur jenes, das den musculus zygomoticus maior (Wangenheber) und den orbis ocularis oculi (Augenringmuskel) aktiviert, kann als »echtes« Lächeln verstanden werden. Dieses zeigt nicht allein einen Zustand heiteren Glücksgefühls an, es wirkt sich gleichzeitig als Auslöser positiver Emotionen aus. Man nimmt in diesem Zusammenhang an, dass es eine direkte und zentrale Verbindung zwischen der Mimik und der Hirnaktivität gibt. So konnte nachgewiesen werden, dass ein intensives (echtes) Lächeln die Durchblutung des Gehirns fördert und Stresssymptome mildert. Da sich dieses Lächeln auch willkürlich hervorrufen lässt, wurde die »Therapie des bewussten Lächelns« entwickelt, die als eine Methode zur Überwindung von Stress eingesetzt werden kann.

Ein echtes Humorerlebnis äußert sich immer in einem spezifischen Lächeln und/oder Lachen, woraus sich grundsätzlich (kommunikative) Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen ergeben. Der österreichische Humorforscher Willibald Ruch bezeichnet diesen emotionalen Prozess als Erheiterung. Diese nimmt - im Sinne des Freudschen Lustprinzips - auf affektive Auslöser Bezug, die einen Menschen zum Empfinden von Fröhlichkeit, Freude oder Vergnügen anregen, also belustigend sind. Der gedankenschwere »Ernst des Lebens«, der die Lebensrealität eher pessimistisch beurteilt, wird dabei relativiert und affektiv erleichtert. Heiterkeit ist somit der »Versuch des Menschen, mit sich ins Reine zu kommen« (Albert Ziegler SJ), indem von einer allzu vernünftigen Haltung, die im normativen »Realitätsprinzip« verfangenen ist, Abstand gewonnen wird.

Literatur:
H. Bergson, H., Das Lachen, Zürich, 1972D. E. Berlyne, Laughter, humor and play. In: Handbook of Social Psychology,Vol. 3, Reading, 1969
I. Eibl-Eibesfeldt, Grundriß der Vergleichenden Verhaltensforschung, München, 1967
V. E. Frankl, Grundriß der Existenzanalyse. In: F. Gebsattel, j. H. Schultz,V. E. Frankl (Hg.), Handbuch der Neurosenlehre und Psychotherapie, Bd. III, München, 1959
D. Kamper/C. Wulf (Hg.), Lachen - Gelächter - Lächeln, Frankfurt, 1986
M. Kataria, Laugh for no Reason, Bombay, 1999
H. Rubinstein, Die Heilkraft Lachen, Bern, 1985
W. Ruch, The Sense of Humor, DeGruyter, Berlin, 1998
M. Titze/C. Eschenröder, Therapeutischer Humor, Frankfurt, 2000


© Dr. Michael Titze
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