Michael Titze: Wie komisch ist der Humor?
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Über Erheiterung, Lachen, Schadenfreude, Inkongruenz und Ironie.
In: TPS - Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, 6, 2009, S. 20-25,
(leicht erweiterte Fassung)
Die Bedeutung des Wortes Humor hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Im 18. Jahrhundert war Humor ein Unterbegriff des Komischen. Als »humorig« fasste man - insbesondere in England - Individuen auf, die durch seltsame (»wunderliche«) Launen (»Spleens«) auffielen bzw. dadurch zur allgemeinen Belustigung anregten. •1 Sofern ein komischer Mensch durch eine heiter-gelassene Wesensart auffiel, sprach man anerkennend von einem »guten Humor«. Humor, als charakterspezifisches Konstrukt, wurde deutlich unterschieden vom geistreichen Witz, der sich allein auf die Verbalisierung kreativer Gedankenspiele bezog.


1. Humor als Erheiterung

Im modernen Sprachgebrauch bezieht sich der Begriff »Humor« ganz allgemein auf jene Erheiterung (Ruch 1995, 605), die uns zum Lachen, Lächeln oder Schmunzeln bringt. Dabei ist der klassische Begriff des »guten Humoristen« weiterhin von Bedeutung. In der englischsprachigen Literatur (vgl. Billig, 2005) wird in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung »nice guy humor« verwendet.


Die Erheiterung

Erheiterung lässt sich als eine persönlichkeitsspezifische Disposition definieren, die mit einer heiteren Grundstimmung verbunden ist und sich auf weitere Fähigkeiten des betreffenden Menschen auswirkt, nämlich:
  • optimistische Grundeinstellung (auch in schweren Zeiten den Silberstreifen am Horizont sehen);
  • Resilienz, »psychische Robustheit« (Distanz zu belastenden Lebenssituationen herstellen, indem deren Bedeutung relativiert wird: Dadurch können negative Ereignisse und Situationen besser ertragen werden);
  • Fähigkeit, alltägliche Ereignisse aus einer unkonventionellen («komischen«) Perspektive wahrzunehmen;
  • kognitive Flexibilität (z.B. ungewöhnliche gedankliche Verknüpfungen herstellen, überraschende Wortbedeutungen entdecken);
  • soziale Kompetenzen (kohäsives Lächeln/Lachen baut die zwischenmenschliche Brücke auf);
  • kommunikative Attraktivität (verbale Witzigkeit und nonverbale Verbindlichkeit);
  • Aktivierung physischer Ressourcen (körpereigenen Immunabwehr, entzündungs- und stresshemmende Hormone, Endorphine).


Funktionen des Erheiterung

Lachen ist für den französischen Philosophen Henri Bergson (1921) nicht begreifbar, es entzieht sich geradezu jeder begrifflichen Erkenntnis. Es sei wie die Schaumkrone auf einer Meereswoge, und der Theoretiker des Lachens sei wie ein Kind, das den Schaum mit der Hand abschöpfe und sich wundere, dass gleich darauf nur noch ein paar Wassertropfen durch seine Finger rinnen, viel salziger, viel bitterer als das Wasser der Welle, die den Schaum an den Sand trug. In seiner ursprünglichen Bedeutung ist das Lachen Ausdruck einer naiven Lebensfreude, die keiner vernünftigen Begründung bedarf und keine normative Reglementierung erträgt. Im Lachen offenbart sich die affektive Lebendigkeit des Menschen in seiner ursprünglichsten Weise. Der lachende Mensch genügt sich selbst, weil er das »Urvertrauen zum Dasein« unmittelbar erlebt. Lachforscher (Gelotologen) haben den physischen Akt des Lachens mit einer Befreiung in Zusammenhang gebracht, die Spannungen auflöst, Selbstheilungskräfte mobilisiert und den Energiefluss im Körper erleichtert.


2. Lachen aus ethologischer und soziologischer Sicht

Ethologisch kann Lachen als eine Freisetzung von aggressiver Energie verstanden werden. Eibl-Eibesfeldt (1967, 140) interpretiert das Zähnezeigen und die typischen Lautäußerungen beim Lachen als eine ritualisierte archaische Drohgebärde. Diese wirke gerade auf Gruppenfremde aggressiv, während sie innerhalb der Bezugsgruppe ein starkes Band schafft und ein gemeinsames »Triumphgefühl« hervorruft.

Soziologisch gesehen, kann Lachen unterschiedlichen sozialen Funktionen dienen wie

  • Informationen vermitteln (z.B. über den Gefühlszustand, Zustimmung/Ablehnung ausdrücken),
  • unangenehme Gesprächssituationen erleichtern,
  • als kommunikative Waffe eingesetzt werden, um andere zu verletzen.


Lächeln

Das Lächeln ist eine (weitgehend) aggressionsfreie Kontaktgebärde, ein »mimischer Stoßdämpfer«. Die Gesichtsmuskulatur ist bei Geburt bereits voll ausgebildet und funktionsfähig. Schon Säuglinge können ein selektives soziales Lächeln einsetzen, um die Interaktion mit der Bezugsperson zu fördern. Dieses Interaktionslächeln signalisiert einen aktiven Zustand von Freude. Es wirkt wie eine Art Klebstoff, der Säugling und Eltern verbindet. Das lächelnde Gesicht ist ein »Spielgesicht«. Es stellt ein universales Signal für Freundlichkeit, Kooperationsbereitschaft, Zustimmung und Freude dar. Paul Ekman (1978) beschreibt verschieden Formen des Lächelns. Nur jenes, das den musculus zygomoticus maior (Wangenheber) und den orbis ocularis oculi (Augenringmuskel) aktiviert, kann als echtes Lächeln verstanden werden. Dieses zeigt nicht allein eine freudige (»euphorische«) Gestimmtheit an, es wirkt innerhalb der sozialen Interaktion auch als Auslöser positiver Emotionen beim Partner. Gelotologen vermuten, dass es eine direkte und zentrale Verbindung zwischen der Mimik und der Hirnaktivität gibt. So konnte nachgewiesen werden, dass ein intensives (echtes) Lächeln die Durchblutung des Gehirns fördert und Stresssymptome mildert.


Lachen als Therapeutikum

Die heilsame Wirkung des Lachens ist heute ein wichtiges Thema in der Psychotherapie. So versucht man mit Hilfe bestimmter provokativ ironischer Gesprächstechniken auf Seiten des Patienten eine »Humorreaktion« (McGhee 1972) hervorzurufen - das heißt heilsame Erkenntnisse anzuregen, die mit Erheiterung einhergehen und sich im Lächeln und/oder Lachen äußern. Zusätzlich wird versucht, die physiologische Heilkraft des Lachens durch bestimmte averbale Übungen in Gang zu setzen. Am bekanntesten in diesem Zusammenhang ist das »Yoga-Lachen«, das in indischen Lachklubs entwickelt wurde.


3. Das Komische als Gegenstand des Lachens

Schon in der Antike wurde eine spezifische Theorie des Komischen formuliert. Nach Aristoteles war das Komische der Ausdruck eines körperlich oder geistig Deformierten. Entsprechend behauptete 1711 der Earl von Shaftesbury (zit. n. Billig 2005, 75), dass nur das Disharmonische komisch wirke. Geschmeidige Kurven und klare Linien garantierten hingegen ästhetische Stimmigkeit. Auch Bergson (1921, 23) hob hervor, dass jede Form von Starrheit, Unlebendigkeit, Plumpheit oder Disharmonie komisch wirke:

    «Stellungen, Gebärden und Bewegungen des menschlichen Körpers sind in dem Maße komisch, als uns dieser Körper dabei an einen bloßen Mechanismus erinnert.«

Die Wahrnehmung des Komischen löst für gewöhnlich ein schadenfreudiges Lachen aus.


Inkongruenz

Humorforscher des 19. Jahrhunderts (wie etwa Jean Paul) verstanden das Phänomen des Humors als eine Facette des Komischen. Die Hauptbedingung für die Entstehung des Komischen wurde in der Wahrnehmung von ästhetischen oder logischen Widersprüchen gesehen.
Arthur Koestler (1990, 134) führte diese Widersprüche auf die Beigesellung («Bisoziation«) logisch unvereinbarer Bezugssysteme zurück, nach dem Motto: Es wächst zusammen, was nicht zusammen gehört (vgl. Titze & Patsch 2008, 126). Bereits im 18.Jahrhundert verwendeten britische Philosophen in diesem Zusammenhang die Begriffe »Inkongruenz« bzw. »Inkonsistenz« •2. So schrieb 1776 James Beattie schrieb:

    «Lachen ergibt sich aus der Beachtung von zwei oder mehreren inkonsistenten, unpassenden oder inkongruenten Bestandteilen oder Sachverhalten, von denen man annimmt, daß sie innerhalb eines komplexen Ganzen vereinigt sind oder daß sie eine gegenseitige Beziehung aufrecht erhalten [...]« (zit. n. Preisendanz 1974, 889).

Auch in der deutschen Philosophie wurde die Inkongruenztheorie Gegenstand philosophischen Interesses. Immanuel Kant ([1790]1976, 276) beschrieb das Lachen als einen Affekt, der »aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in Nichts« entspringt. Und Schopenhauer ([1819] 1991, 122) erklärte: »Je größer und unerwarteter in der Auffassung des Lachenden diese Inkongruenz ist, desto heftiger wird sein Lachen ausfallen.«
Inkongruenz entsteht also, wenn der normale »Lauf der Dinge« jäh unterbrochen wird, wenn »Begriff und Anschauung auseinander fallen« (Bachmaier, 2005, 124) . Diesen unerwarteten Bruch in einer logischen Relation bezeichnet man auch als non sequitur. Dazu ein Beispiel:

  • »Ich kenne einen alten Kerl aus Neuseeland, der keinen einzigen Zahn in seinem Mund hat. Aber er spielt die Basstrommel besser als jeder, den ich bisher hörte« . Charney (1995, 340).


Komische Kontraste
Komische Kontraste sind ein Ausdruck von Inkongruenz. Sie ergeben sich zum Beispiel, wenn ...

  • jemand zu einem Sonntagsanzug schwere Bergschuhe trägt;
  • bei einem Sommerfest ein Weihnachtslied angestimmt wird;
  • der Nikolaus bunte Ostereier verschenkt.

Ein komischer Kontrast ergibt sich auch, wenn ein vernünftiger Erwachsener plötzlich wie ein albernes Kind zu argumentieren beginnt. Dadurch entsteht ein »intellektueller Sprung« (Koestler), der einen kreativen Mix bewirkt, der verblüffen und amüsieren kann. Hier zwei Beispiele:

  • »Der Nihilismus behauptet, dass es kein Leben nach dem Tode gibt. Ein deprimierender Gedanke, besonders für einen, der sich nicht rasiert hat!« (Woody Allen);
  • »Wenn ich ein Pferd hätte, würde ich Ihnen die Sporen geben.« (Groucho Marx).


Der komische Außenseiter

Komisch wirkt der soziale Außenseiter, der, wie Bergson (1921, 89) erklärt, »einen gewissen eigentümlichen Mangel an Anpassung [...] an die Gesellschaft« zeigt. Orin Klapp (1950) bezeichnet den komischen Außenseiter als »Narren«. Diese Rolle fällt häufig Menschen zu, die körperliche, geistige oder psychische Gebrechen aufweisen. Für die Gesellschaft »repräsentiert der Narr Werte, die von der sozialen Gruppe abgelehnt werden: Inkompetenz, Versagen und Fiasko« (Martineau, 1972, 106). So fällt ihm die Aufgabe zu, als ein negatives Beispiel für diejenigen zu dienen, die um eine Integration in ihre Bezugsgruppe bemüht sind.
In der sozialen Funktion eines Sündenbocks wird der Narr zu einem lächerlichen Objekt. Dies ist für die Anderen häufig eine ergiebige Quelle komischer Belustigung, die eine herabsetzende, tendenziell sogar entwürdigende (beschämende) Note besitzt. Diese Tendenz kommt auch in Witzen zum Ausdruck, in denen entweder konkrete Individuen oder moralische Prinzipien entwertet bzw. »zum Narren gemacht« werde (vgl. Freud [1905] 1982). Hier liegen im Übrigen auch die Wurzeln der Schadenfreude.


Abwärtsvergleiche als Quelle von Schadenfreude

Der englische Philosoph Thomas Hobbes ([1640], 1999) postulierte, die Lächerlichkeit des Komischen nehme eine Schlüsselstellung im Wettbewerb sozialen Lebens ein. Dabei basiert das eigene Selbstwertgefühl auf endlosen Vergleichen mit den Stärken oder Schwächen anderer Menschen. Den wissenschaftlichen Nachweis für diese Annahme erbrachte Leon Festinger (1954) in seiner Theorie des sozialen Vergleichs. Danach rufen »Abwärtsvergleiche« (bei denen das eigene Selbst im Vergleich zu anderen besser bewertet wird) Schadenfreude hervor: Dies spiegelt sich mimisch im triumphierenden Grinsen / Lachen.
Michael Billig (2005, 158) berichtet über Studien, deren Gegenstand die Schadenfreude ist. Danach bevorzugen Individuen, die untergeordnete berufliche Positionen einnehmen, tendenziöse Witze, die Vorgesetzte herabsetzen. Umgekehrt sind bei Vorgesetzten solche Witze beliebter, die die »kleinen Leute« auf die Schippe nehmen.


4. Geschwisterrivalität als psychodynamische Ursache der Schadenfreude

Belustigende Abwärtsvergleiche sind schon in der Kindheit eine wichtige Quelle der Selbstbestätigung. Dabei können zwei unterschiedliche Formen von Schadenfreude entstehen.


Hämische Schadenfreude

Das ältere (kompetentere) Kind empfindet hämische Freude darüber, dass es in einer besseren Position ist als das weniger kompetente Kind (jüngere Geschwister, dümmere Spielkameraden). Letzteres stellt seine Inkompetenz immer dann unter Beweis, wenn es sich »zum Narren halten« lässt. Auf den Effekt hämischer Schadenfreude zielte die antike Komödie ebenso ab wie die Narrenspiele und Possen des Mittelalters.
Seit dem Mittelalter spielt der Narr (der Vorläufer des modernen Clowns) die Rolle des inkompetenten Tölpels, der sich - wie das unwissende Kind - geradezu ideal für einen Abwärtsvergleich anbietet. Auch die Werbung bedient sich dieses Effekts. Die moderne Comedy-Szene (mit einer Mischung aus Show, Talk, Action und spöttischem Zynismus) offeriert zahllose Gelegenheiten zu lustvoll-belustigenden Abwärtsvergleichen. Dabei spielen die Comedy-Stars virtuos auf der Klaviatur hämischer Schadenfreude (vgl.Röcke & Velten 2005)


Ausgleichende Schadenfreude

Das jüngere (inkompetentere) Kind sieht, wie das normalerweise überlegene ältere Kind hinfällt, sich einen Sprachschnitzer leistet oder in einem Spiel den Kürzeren zieht: Dabei kann ein freudiges Gefühl ausgleichender Gerechtigkeit aufkommen, das die soziale Gleichstellung ermöglicht und die bisherige Unterlegenheit kompensiert. Diese Variante der Schadenfreude gehört - als Vermächtnis der Kindheit - zur Grundausstattung des Menschen, um latente Selbstwertprobleme zu kompensieren. Den entsprechenden Effekt sucht das klassische Kabarett ebenso hervorzurufen wie die Satire, Parodie oder Karikatur. Stets geht es darum, Schwächen der Mächtigen herauszuarbeiten, um dem Publikum diese Freude an der ausgleichenden Gerechtigkeit zu vermitteln.


5. Die disziplinarische Funktion des Verlachens

Henri Bergson (1921) formulierte eine bedeutende Theorie des Lachens, die implizit die sozial nützlichen Effekte hämischer Schadenfreude thematisiert. Danach erfüllt ein schadenfreudiges Lachen eine disziplinarische - und damit sozial regulative Funktion. Bergson (1921, 131) sah im (Aus-)Lachen ein »Erziehungsmittel«, das diejenigen straft, die sich als komische Außenseiter nicht in das Regelsystem der Gesellschaft fügen:

    «Das Lachen ist nun einmal ein Erziehungsmittel. Ist Demütigung sein Zweck, so muss es der Person, der es gilt, eine peinliche Empfindung verursachen. Dadurch rächt sich die Gesellschaft für die Freiheiten, die man sich gegen sie herausgenommnen hat. Und das Lachen würde sein Ziel nicht erreichen, wenn Sympathie und Güte seine herrschenden Züge wären.«

Als Folge dieser peinlichen »sozialen Feuertaufe« müssten die Verlachten eher motiviert sein, ihr komisches Anderssein, ihre soziale Devianz zu korrigieren und sich an die normativen Erwartungen der Gesellschaft anzupassen. Billig (2005, 117/201) beschreibt, welche Bedeutung dieses disziplinarische Lachen schon in der Eltern-Kind-Beziehung hat:

    «Erwachsene können Kindern beibringen, sich an erwünschte soziale Regeln anzupassen, indem sie diese verlachen. Dies ist ein höchst wirksames Erziehungsmittel [...] Auf diese Weise werden sowohl soziale Regeln als auch Praktiken des Verlachens über Generationen hinweg reproduziert.«

Auch im Erwachsenenleben spielt das disziplinarische (Aus-)Lachen ein wichtige Rolle, da es auf diejenigen abzielt, denen es an »Insider-Wissen« fehlt. Ein Beispiel sind unerfahrene Auszubildende, die von älteren Kollegen »in den April geschickt werden«. In der impliziten Beschämung sieht Thomas Scheff (2000) die entscheidende emotionale Voraussetzung für die Festigung sozialer Bande. Der junge Mensch erhält nämlich die explizite Botschaft: »Wenn du dich nicht an die sozialen Regeln hältst, wirst du ausgelacht!«


6. Soziale Kohäsion und Exklusion

Das Lachen erfüllt eine doppelsinnige Funktion: Es ist in seiner Wirkung sowohl sozial wie anti-sozial. Es vermag Menschen - in einer von Heiterkeit und Lebensfreude erfüllten Atmosphäre - sowohl miteinander zu verbinden (= Kohäsion) wie sie sozial auch auszuschließen (= Exklusion). Vom exkludierenden »bad guys humor« können einzelne Individuen betroffen sein, die von einer verschworenen Lachgemeinschaft (Röcke & Velten, 2005) verhöhnt werden, oder auch ganze Gruppen (Moody 1979, S. 116ff). Der Verhaltensforscher Eibl-Eibesfeldt (1967, 40) schreibt:

    «Außerhalb der Gruppe Stehende berührt ein solches Lachen eher unangenehm, ja wenn es den Charakter des Auslachens trägt, wirkt es ausgesprochen aggressiv, herausfordernd. Lachen scheint in seiner ursprünglichen Funktion gegen Dritte zu verbinden.«

Kohäsives Lachen (als Ausdruck von »nice guys humor«) fördert hingegen die Identifikation mit der eigenen Bezugsgruppe (La Fave 1972, 198). Bachmaier (2005, 123) erklärt, dass dabei soziale Grenzen fixiert werden. Nach Konrad Lorenz (1963) lachen Menschen aus einer Erleichterung heraus, wenn eine äußere Gefahr gemeinsam abgewendet wurde. So überschütten sich Soldaten nach Beendigung gefährlicher Kampfhandlungen mit Witzen und Scherzen. Dadurch entsteht eine »scherzende Beziehung« (Radcliffe-Brown 1952), die gruppeninterne Spannungen aufzulösen hilft. So wird eine stark emotionale Nähe zwischen den Angehörigen der Gruppe hergestellt (Ziv 1984, 32). In dieser Hinsicht erfüllte das Lachen eine grundlegend soziale Funktion. Robert Provine (1996, 40) schreibt:

    «Lachen ist keineswegs die rein egozentrische Äußerung einer Emotion, sondern ein ausgesprochen soziales Signal. Menschen lachen in sozialen Situationen 30-mal mehr, als wenn sie allein sind.«


7. Die kommunikative Funktion des Humors

Die soziale Entwicklung des Menschen zeigt, dass die Quelle vergnüglicher Lebensfreude im Mitmenschen liegt: »Humor keimt in interpersonalen Beziehungen« (Ziv 1984, 28). Die meisten Menschen lachen, um ihrem Gegenüber - bewusst oder unbewusst - etwas mitzuteilen. Lachen ist also in erster Linie ein Mittel der Kommunikation. Mehr als 80 Prozent der sogenannten Lachkommunikation kommen ohne strukturierten Humor bzw. pointierte Witze aus (Provine 1996, 46).


Lachen als Mittel der Kommunikation

Albert Rapp (1949) vermutet, Lachen habe in der vorsprachlichen Epoche der Menschheitsentwicklung die Funktion eines allgemeinen Kommunikationsmittels erfüllt. Es soll der Signalisierung positiver Nachrichten gedient bzw. angezeigt haben, dass sich die Bezugsgruppe in Sicherheit befand.
Neal Norrick (1993, 42) bemerkt, dass der Humor nützliche rhetorische Hilfsmittel bereitstellt. Mit Hilfe entsprechender »Sprüche« (und natürlich auch durch Lachen selbst) wird kommunikativ angezeigt, dass ein »Meta-Diskurs« vorliegt. Aus dieser Perspektive heraus kann das verbal Ausgedrückte in seiner Aussage relativiert werden bzw. - wie im Falle der Ironie - in seinem Sinngehalt verkehrt werden. Dadurch wird ein anderes Bezugssystem aktiviert. So kann es zu einer paradoxen Grenzüberschreitung zwischen der Welt des rationalen Ernstes und des komischen Unernstes kommen (Titze & Patsch 2008, 23ff).


Ironie als rhetorische Verstellung

Wenn das Gesagte nicht wörtlich gemeint ist, sondern implizit geradezu das Gegenteil ausdrücken soll, spricht man von Ironie. Sokrates verwendet Ironie als rhetorischen Kunstgriff, um ein bestimmtes Urteil besonders hervorzuheben. Voraussetzung dafür ist eine gezielte Verstellung •3. (vgl. Kierkegaard (1984, 260). Diesen humoristischen Kunstgriff veranschaulicht Artur Schopenhauer (1991, 112) am Beispiel von Wortspielereien:

    »Wenn bei starkem Regen gesagt wird: 'Das ist heute ein angenehmes Wetter';
    oder von einer hässlichen Braut: 'Der hat sich ein schönes Schätzchen ausgesucht';
    oder von einem Spitzbuben: 'dieser Ehrenmann'; u. dgl. m.«

Ironie entsteht mithin, wenn die konventionell anerkannte Wahrheit in ihrer Bedeutung relativiert wird.


Kommunikatives Lachen als »soziales Schmiermittel«

Kommunikatives Lachen wird durch folgende Faktoren gefördert: Zwischen den Kommunizierenden besteht ein Zugehörigkeitsgefühl, das zum Entstehen einer positiven emotionalen Stimmung sowie einer atmosphärische Ausgelassenheit beiträgt. Robert Provine (1996) betont, dass dieses Lachen weitgehend unabhängig von strukturierten Humorvorgaben (z.B. Witze, Schwänke, Comedy-Elemente) ist:

    «Weniger als 20% des von uns untersuchten (kommunikativen) Lachens können als Reaktion auf formales Humormaterial abgesehen werden. In den meisten Fällen wurde als Reaktion auf solche banalen Bemerkungen gelacht: 'Guck, da ist André!', 'Sind Sie sicher?' oder 'Es war schön, Sie kennen gelernt zu haben!'«

Die aktive SprecherIn lacht (um fast 50%) mehr als die Zuhörer - und er/sie lacht dabei erkennbar lauter! Frauen lachen in diesem Zusammenhang übrigens deutlich mehr als Männer (Provine, 1996, 45). Das Lachen der aktiven SprecherIn dient vornehmlich dem Zweck, Spannungen oder aggressive Tendenzen bei den Zuhörern zu »puffern«. In dieser Hinsicht fungiert kommunikatives Lachen als ein »soziales Schmiermittel«.
Eines der wichtigsten Kennzeichen kommunikativen Lachens ist dessen Positionierung im Verlauf der Konversation. Durch Variieren verschiedener Ausdrucksmittel (z.B. Lautstärke, Anzahl der Lachlaute, Stimmmelodie, Lachatmung und -rhythmus, Dauer des Lachens) wird eine implizite Botschaft übermittelt. Grundsätzlich wird am Ende eines Satzes gelacht, was linguistisch einer spezifischen Interpunktion entspricht. Provine (1996) sieht darin den Hinweis auf einen möglicherweise neurologisch fundierte Prozess.
Ruth Groth (1992) beschreibt verschiedene Formen kommunikativen Lachens: Mit dem ablehnenden Dissens-Lachen teilen die Zuhörer dem Redner mit, dass sie anderer Meinung sind. Das provokante Topping-Lachen dient zur Imagebewahrung für den Angreifenden und als Imagebedrohung für den Angegriffenen. Das ausgleichende, höfliche Beziehungs-Lachen puffert bzw. relativiert mögliche Konflikte auf der (verbalen) Inhaltsebene der Kommunikation ab. Damit wird ein Konsens auf der Beziehungsebene erreicht.


Fussnoten

•1 Die eigentliche Wortbedeutung geht aber auf die antike Temperamentenlehre zurück. Diese ging von vier basalen Körpersäften (= humores) aus, deren richtige Mischung für die Gesundheit ausschlaggebend ist. Das sind im einzelnen Blut (sanguis, davon abgeleitet der heitere, aktive Sanguiniker), Schleim (phlegma, davon abgeleitet der passive, schwerfällige Phlegmatiker), schwarze Gallenflüssigkeit (melas cholé, davon abgeleitet der traurige, nachdenkliche Melancholiker), gelbe Gallenflüssigkeit (cholé, davon abgeleitet der reizbare und erregbare Choleriker). Es war der besondere Saft des Sanguinikers, des »heißblütigen Typs«, dem in früheren Zeiten jene lebensfrohe Grundhaltung zugesprochen wurde, die wir heutzutage als »Sinn für Humor« bezeichnen. (zurück)

•2 Bergson (1921, 80ff) sprach in diesem Zusammenhang von »Interferenz«, Plessner (1950, 111) von der »Einheit des Gegensinnigen«. (zurück)

•3 Auch im Lügen geht es um ein In-Frage-Stellen bzw. Relativieren dessen, was gemeinhin als wahr und richtig angesehen wird. Um anzuzeigen, dass es ihm nicht um bloßes Lügen geht, muss der Ironiker deshalb kommunikative Akzente setzen, also körpersprachliche Hinweise geben (etwa durch den Tonfall, Gesichtsausdruck oder durch Gesten). (zurück)


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